DIE 80ER – Figurative Malerei in der BRD

Städel Museum, Frankfurt | bis 18. Oktober 2015
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Helmut Middendorf (*1953) - Sänger, 1981
Dispersion auf Nessel, 175 × 220 cm
Helmut Middendorf | Foto: Jochen Littkemann
© VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Mit rund 100 Werken von insgesamt 27 Künstlerinnen und Künstlern beleuchtet die Schau jene neuartige, irritierende und überaus dynamische figurative Malerei, die sich in den 1980er-Jahren nahezu zeitgleich vor allem in den Zentren Berlin, Hamburg und dem Rheinland entwickelte. Zu sehen sind Arbeiten u. a. von Ina Barfuss, Werner Büttner, Walter Dahn, Jirí Georg Dokoupil, Rainer Fetting, Georg Herold, Martin Kippenberger, Helmut Middendorf, Christa Näher, Albert Oehlen, Salomé oder Andreas Schulze.


Die Ausstellung beleuchtet die künstlerischen Zentren der BRD – etwa den Berliner Moritzplatz oder die Mülheimer Freiheit in Köln – und macht zugleich die figurative Malerei jener Jahre in ihrer ganzen Komplexität und Differenziertheit sichtbar.

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Die Künstlerinnen und Künstler, die den Kunstbetrieb um 1980 mit einer ungezügelten Intensität und hohem malerischen Tempo auf den Kopf stellten, schufen figurative Bilder, die eine kritische Auseinandersetzung mit der Tradition der Malerei, den Nachkriegsavantgarden und ihrer unmittelbaren Gegenwart wagten. Die Themen entstammten in erster Linie dem unmittelbaren Umfeld der Künstler. Der etablierte Kunstbetrieb wird dabei genauso zum Inhalt der Bilder, wie die homosexuelle Emanzipation oder die rauschende Geschwindigkeit der internationalen Club- und Musikszene, die ab Mitte der 1970er-Jahre durch Punk und danach mit New Wave vermittelt wurde.

Die Protagonisten der Zeit waren dennoch alles andere als eine homogene malerische Bewegung. Vielmehr zeichnet sich die Malerei jenes Jahrzehnts zwischen Studentenrevolte und wiedervereinigtem Deutschland durch ein vielschichtiges, zum Teil widersprüchliches Nebeneinander unterschiedlicher Strömungen, Einflüsse und Befindlichkeiten aus.

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Städel Museum, Frankfurt | 21. Juli bis 18. Oktober 2015
Kuratoren: 
Dr. Martin Engler, Sammlungsleiter Gegenwartskunst; 
Franziska Leuthäußer, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Gegenwartskunst

Die 80er – Figurative Malerei in der BRD

Pressetext: Städel Museum | www.staedelmuseum.de
Das Digitorial 80er.staedelmuseum.de

Der zeitgenössische, historisierende Blick auf dieses unbestritten vielschichtige ästhetische Phänomen bietet die Möglichkeit, strukturelle Gemeinsamkeiten auszumachen und neue kunsthistorische Ansätze und Fragestellungen zu erproben, ohne die Vielfalt dieser Kunst unbeachtet zu lassen. Ohne die Neuheit und Besonderheit der Bilder zu negieren, wird die Frage gestellt, woher diese Malerei kam, wie sie sich zu ihrer eigenen Tradition im Umfeld der sogenannten Postmoderne verhält und welche Rolle sie durch eine neue oder differenziertere Verortung für unsere Gegenwart spielen könnte:

„Wir haben es mit einer Künstlergeneration zu tun, die in einem klar definierten Zeitraum durch die Wucht ihres Auftretens und die Neuheit ihrer Malerei für ein ungeheuer kontroverses Echo sorgte. Gleichwohl gibt es bis heute keine schlüssige Narration, die diese Bilder sinnstiftend mit dem Davor und Danach verknüpft. Diese komplexe Gemengelage macht es erforderlich, ihre Bedeutung für die nachfolgende Künstlergeneration sowie ihr Verhältnis zur eigenen Tradition kunsthistorisch und museal zu fassen“, sagt Dr. Martin Engler, Leiter der Sammlung Gegenwartskunst im Städel und Kurator der Ausstellung.

VIDEO | DIE 80ER | Rhein Main TV

Die Ausstellung möchte einen neuen, unverstellten Zugang zu einer Malerei ermöglichen, die allzu oft durch die Raster der Diskurse gefallen ist und deren Besonderheiten durch ihren, zweifellos wichtigen und prägenden, pop-kulturellen Kontext überschattet wurden. Ohne diesen spezifischen Zusammenhang zu übergehen, will die Schau einen kunsthistorischen Fokus setzen, der auch den Bezug zur Nachkriegsmalerei in den Blick nimmt.

Die westdeutsche und West-Berliner Malerei der 1980er ist keineswegs losgelöst von künstlerischen Vorläufern wie Georg Baselitz, Gerhard Richter und Sigmar Polke zu sehen, von denen sie sich zugleich aber auch klar distanziert. Die Generation, die um 1980 in den Zentren Berlin, Hamburg und dem Rheinland auftrat, schuf Bilder, deren Energie, Intensität und Direktheit ihre Kunst von allem davor Entstandenen unterscheiden.

Aufgrund ihrer ungewöhnlichen Ausdruckskraft wurden die Künstler der 80er Jahre von der zeitgenössischen Kunstkritik in die Nähe des deutschen Expressionismus und der französischen Fauves gerückt. Sie erhielten zahlreiche Etiketten, wie „Junge Wilde“ oder „Neo-Expressionisten“, und stellten selbst unter dem Schlagwort „Heftige Malerei“ aus. Doch keine dieser Titulierungen konnte sich verbindlich durchsetzen, nicht zuletzt, weil es sich um eine zweifellos heterogene Bewegung handelte. Trotz der Skepsis der Kritiker feierten die Künstlerinnen und Künstler auf dem damaligen Kunstmarkt rasch Erfolge, die sich schon nach wenigen Jahren wieder relativierten. Angesichts der Schnelllebigkeit jenes ereignisreichen Jahrzehnts blieb wenig Zeit für Kunstgeschichte.

Die Ausstellung präsentiert rund 100 hochkarätige Leihgaben, darunter Werke aus Museumssammlungen, wie dem Hessischen Landesmuseum Darmstadt, der Klassik Stiftung Weimar, Neues Museum Weimar oder der Berlinische Galerie – Landesmuseum für Moderne Kunst, zahlreiche private Leihgaben sowie Werke aus der Sammlung Deutsche Bank und insgesamt 14 Arbeiten aus dem Sammlungsbereich Gegenwartskunst im Städel Museum.

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Die 80er - Figurative Malerei in der BRD - Katalog - 700

KATALOG | Die 80er.
Figurative Malerei in der BRD

Cover-Abbildung: 
Werner Büttner, Mutwillig zerstörte Telefonzellen, 1982, 
Museum für Kommunikation, Frankfurt am Main

Gebundene Ausgabe
276 Seiten, 264 Abb.
Verlag: Hatje Cantz Verlag
Sprache: Deutsch
25,00 x 28,00 cm

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Mit dem Ende der Avantgarden in den 1970er-Jahren setzte im folgenden Jahrzehnt die Wiederentdeckung der figurativen Malerei ein. Die ungezügelte Wucht und Brisanz des Neuen war unübersehbar: Die jungen Künstler Anfang der 1980er-Jahre, die aus ganz unterschiedlichen Richtungen kamen, malten ihre Bilder frei von kunsthistorischen Stilen, Ismen und Gruppierungen. Die Kombination von ästhetischer Grenzüberschreitung, Nihilismus, Provokation, Humor und Ironie brachte eine vielschichtige Generation von Malern hervor, die innerhalb weniger Jahre nicht nur in Deutschland, sondern auch international rezipiert wurden.

Die Publikation zeichnet ein komplexes und differenziertes Bild der Dynamik, die die Malerei in jenen Jahren erfasste. Sie zeigt die verschiedenen Perspektiven und Strömungen auf, die damals in Berlin, Hamburg und Köln ihren Anfang nahmen, grenzt sie voneinander ab und setzt sie zueinander in Beziehung.

Die vorgestellten Künstler (Auswahl): Hans-Peter Adamski, Elvira Bach, Ina Barfuss, Peter Bömmels, Werner Büttner, Walter Dahn, Jirí Georg Dokoupil, Rainer Fetting, G. L. Gabriel, Georg Herold, Gerard Kever, Martin Kippenberger, Helmut Middendorf, Gerhard Naschberger, Albert Oehlen, Markus Oehlen, Salomé, Andreas Schulze, Bettina Semmer, Volker Tannert, Thomas Wachweger, Bernd Zimmer


Die Frankfurter Kunstschau erstreckt sich über zwei Etagen des Ausstellungshauses und folgt einer geografischen wie thematischen Gliederung. So werden einerseits die jeweiligen lokalen Zentren in ihrer Ambivalenz aus Verwandtschaft und Diversität abgebildet, andererseits wird deren Verbindung untereinander anhand gemeinsamer thematischer oder motivischer Interessen aufgezeigt.

Den Auftakt bildet das klassische Genre der Porträtmalerei.

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Albert Oehlen (*1954) Selbstportrait mit Palette, 1984 Öl auf Leinwand, 180 × 180 cm Private Collection © Albert Oehlen

Insbesondere die Selbstporträts, etwa Albert Oehlens Selbstportrait mit Palette (1984), Werner Büttners Selbstbildnis im Kino onanierend (1980) Luciano Castellis Berlin Nite (1979) oder Walter Dahns Selbst doppelt (1982), zeigen die intensive Auseinandersetzung mit dem Medium der Malerei. Thematisch häufig nah an traditionellen malerischen Themen, zeichnet sich die „Neue Welle“ der Malerei der 80er Jahre vor allem durch ihren experimentellen und dynamischen Stilpluralismus aus. Auch wenn Albert Oehlen mit seinem Selbstporträt auf eine erstaunlich traditionelle Variation des Bildsujets zurückgreift, bleibt unklar, ob er diese Tradition affirmiert, überprüft, karikiert, sinnentleert repetiert oder alles zugleich.

Der Konfrontation mit dem Künstler-Ich im ersten Raum folgt eine erste geografische Gruppierung am Standort West-Berlin. Das Zentrum bilden Maler der Galerie am Moritzplatz, die 1977 von Rainer Fetting, Helmut Middendorf, Salomé und Bernd Zimmer in Kreuzberg gegründet wurde. Ab 1979 war auch G. L. Gabriel Mitglied und stellte bis zur Auflösung der Galerie 1981 in Gruppen- und Einzelausstellungen am Moritzplatz aus. Das Berlin jener Zeit, die liberale, chaotische Stadt jenseits von Bundeswehr und konservativer BRD-Provinz, wurde zum zentralen Motiv dieser Maler, die aus den westdeutschen Bundesländern in die Metropole gekommen waren.

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Rainer Fetting (*1949) Van Gogh und Mauer-Sonne, 1979 Dispersion auf Nessel, 212 × 271 cm Thomas Ammann Fine Art AG, Zürich Foto: Thomas Ammann Fine Art AG, Zürich © Rainer Fetting

Rainer Fetting malt die Berliner Mauer gleich in verschiedensten Varianten. Für ihn war die Mauer zunächst einmal Alltag und Blick aus dem Atelierfenster und nicht politisches Statement, als das sie der Betrachter der Werke mit dem Abstand von rund drei Jahrzehnten wahrnimmt. Während Künstler wie Fetting, Gabriel oder Middendorf die Architektur ihrer Stadt thematisieren, befragt Bernd Zimmer mit seinen Landschaftsbildern die Grenzen zwischen Figur und Abstraktion. In der Gegenüberstellung von Zimmers Feld, Raps (1979) und Fettings Van Gogh und Mauer-Sonne (1979) wird die Diversität der malerischen Annäherung – von der Farbfeldmalerei bis hin zur annähernd rein gestischen, sich nahezu auflösenden Malerei – sichtbar.

Ein wesentliches Element im Schaffen der Berliner Künstler ist die sich formierende Punk- und Subkulturszene, ihre Dynamik und Rohheit, die sie in die Malerei überführen.

TRHE CLASH - London Calling [Vinyl LP]

Die Punks witterten ob des Major-Plattenvertrags von The Clash an allen Ecken und Enden Verrat und Ausverkauf: „CBS Promotion-Cash, no Revolution!“ und  „Punk is dead“ skandierten Hamburger Hardcore-Punks bei einem legendären Auftritt der Clash in der Hamburger Markthalle 1980.

Da hatten The Clash bereits ihr epochales Doppel-Album „LONDON CALLING“ veröffentlicht.

Joe Strummer wurde damals von der Hamburger Polizei festgenommen, weil er während eines Konzertes einem „Fan“ mit seiner Gitarre den Schädel eingeschlagen hatte. Selbstverteidigung: nachdem aggressive, altbackene Punks versuchten, die Bühne zu stürmen.

Das Cover ist ein „THE-WHO-Zitat“ ( Die Band um Pete Townshend, war in den 1960ern legendär für ihre Equipment-Zerstörungsarien bei Live-Auftritten )

Malerische Ekstase

Rudolf Schmitz für DEUTSCHLANDRADIO Kultur | Artikel lesen

„Helmut Middendorf malt den Sänger von Clash, der mit gespreizten Beinen grade den Mikrofonständer bearbeitet, Rainer Fetting lässt van Gogh wütend vor der Berliner Mauer gestikulieren. Bilder, die den Zeitgeist spiegeln: Hemmungslose Selbstdarstellung, nackte Körper, Homoerotik, Nächte voller Musik und Drogen, neue und alte Identitäten.“


Die „elektrisierten Großstadteingeborenen“ kehren in Große Dusche (1981) von Rainer Fetting gewissermaßen als klassische Aktmodelle in unterschiedlichen Posen wieder. Der Körperdiskurs, der hier bereits seinen Anfang nimmt, wird in den Bildern Salomés fortgeführt. In seinen Werken konfrontiert er den Betrachter in drastischer Weise mit ebenso politischen wie radikalen, vor allem explizit homoerotischen Akt-Darstellungen jenseits gesellschaftlicher Normen. Daneben stehen Bilder wie Goldener Mann schlägt Schlampe (1980) von Albert Oehlen oder die mystisch anmutenden Arbeiten Christa Nähers, in denen sich Zwitterwesen aus Tier und Mensch begegnen. Die Rolle der Geschlechter in der Paarbeziehung auf der einen und die freizügige Darstellung erotischer Fantasien fernab bürgerlicher Moralvorstellungen auf der anderen Seite werden zum Thema. Die Intensität und Rohheit der Subkultur überträgt beispielsweise Middendorf mit heftigem Pinselstrich in seine Werkreihe Großstadteingeborene und überführt damit in ganz anderer Weise seine Umgebung ins Bild.

Während der Körperdiskurs im Erdgeschoss durchaus schon politische Aspekte berührt, beginnt der zweite Teil der Präsentation im ersten Stock mit einer Reihe von offensichtlich politisch motivierten Werken. Neben Ikonen wie beispielsweise Albert Oehlens Führerhauptquartier (1982) sind hier auch Fettings Erstes Mauerbild (1977), Salomés Blutsturz (1979) oder Hans Peter Adamskis Bildnis MAO (1983) zu sehen. Es sind Gemälde wie Dokoupils Stern in Not (1982), die politische Symbole einerseits aufgreifen, nur um ihre Sinnzusammenhänge umgehend aufzuheben. So etwa auch bei Kippenbergers zentralem Werk Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz entdecken (1984). Das zugleich sichtbare wie unsichtbare Hakenkreuz unterminiert, hinterfragt und ironisiert das politische Symbol gleichermaßen. Der Betrachter des Gemäldes erhält durch den Titel einen Hinweis auf seinen Gegenstand, der im Bild nie wirklich aufgelöst wird. Kippenberger arrangiert abstrakte geometrische Formen, sodass sie in ihrer Zusammensetzung zu ideologisch aufgeladenen Symbolen werden könnten ohne es je wirklich zu werden. Die in dieser Sektion der Schau ausgestellten Werke verdeutlichen, dass das Politische der Bilder nur eine Meta-Ebene ist, eines unter anderen thematischen Versatzstücken, die beständig changieren und neue Sinnzusammenhänge herstellen.

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Ina Barfuss (*1949) Ohne Titel, 1982 Öl auf Leinwand, 150 × 170 cm Museum Baviera Zürich Foto: Mario Modena © VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Die Bilder der Hamburger Szene um Werner Büttner, Georg Herold, Martin Kippenberger sowie Albert und Markus Oehlen schließen im folgenden Raum an den politischen Diskurs an. Die Gruppe ist weniger geografisch zu fassen und teilt als gemeinsamen Fokus vor allem die Nähe zu Sigmar Polkes Akademie-Klasse in Hamburg und der Galerie von Max Hetzler. Anders als die „Moritzboys“ fanden die Künstler hier nicht primär als Ausstellungsgemeinschaft, sondern als Bündnis von Freunden zusammen. Kippenberger, Albert Oehlen und Büttner trafen erstmals 1977 in Hamburg aufeinander. Georg Herold kam im selben Jahr von München nach Hamburg, Ina Barfuss und Thomas Wachweger, die mit Martin Kippenberger bereits seit Anfang der 1970er-Jahre befreundet waren, verließen die Hansestadt mit Kippenberger 1978 Richtung Berlin.

Während die Berliner um Fetting oder Middendorf einen bewusst direkten, unverstellten Zugang zur Malerei pflegten, ist der Ansatz der Künstler um Oehlen und Kippenberger ein eher gebrochener, der Bild, Sujet und Inhalt der Malerei beständig infrage stellt. Ihre Arbeiten bewegen sich zwischen Malerei und Text, zwischen Pathos, Klischee und Banalität. Auch gesellschaftliche oder politische Sujets werden stets mit ironisch-sarkastischem Unterton behandelt. Bereits 1979 zeigten die Künstlerinnen und Künstler ihre Arbeiten auch in Berlin, in der von Kippenberger organisierten Ausstellung „Elend“, die in „Kippenbergers Büro“ stattfand. Wie der Künstler betonte, ging es vor allem darum, „was zusammen zu machen“, und nicht isoliert voneinander zu arbeiten. Dieser Ansatz des Gemeinschaftlichen, den Kippenberger nicht nur in den organisierten Gruppenausstellungen, sondern auch mit anderen Aktionen in seinem „Büro“ oder in dem von ihm ab 1978 geleiteten Club SO36 verfolgte, und in der großen Gruppenausstellung „Rundschau Deutschland I“ in München 1981 einen Höhepunkt erfuhr, findet sich in der Ausstellung im dritten Raum des ersten Obergeschosses mit den sogenannten Satelliten oder Einzelgängern wieder. Hier sind Werke von Ina Barfuss und Thomas Wachweger zu sehen, von Bettina Semmer, Volker Tannert, Andreas Schulze und der Gruppe Normal, zu der Peter Angermann, Jan Knap und Milan Kunc gehörten.

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Walter Dahn (*1954) Die Geburt der Mülheimer Freiheit, 1981 Dispersion auf Leinwand, 170 × 160 cm Paul Maenz, Berlin Foto: Archiv Paul Maenz, Berlin © Walther Dahn

Es schließt sich der dritte geografische Raum an: Die „Mülheimer Freiheit“. Hans Peter Adamski, Peter Bömmels, Walter Dahn, Jirí Georg Dokoupil, Gerard Kever und Gerhard Naschberger arbeiteten ab 1980 in einem Gemeinschaftsatelier in der Straße in Köln-Deutz, nach der sie ihre Gruppe benannten. Dahn hielt die Entstehung dieses Zusammenschlusses in seinem Werk Die Geburt der Mülheimer Freiheit (1981) auf Leinwand fest. Keiner der sechs akademisch ausgebildeten Künstler verfügte über eine klassische Malerausbildung. Der Kunstbetrieb sowie die Banalitäten des Alltags waren Themen, die sie diskutierten und künstlerisch bearbeiteten. Die „Mülheimer Freiheit“ pflegte einen gezielt ästhetisierten Dilettantismus, der sich in klischeehaften, kitschigen und banalen, immer aber auch malerisch faszinierenden Arbeiten zeigte. Diese Direktheit und Hemmungslosigkeit kam etwa in Gemeinschaftsarbeiten von Dahn und Dokoupil, wie Ohne Titel (Kotzer II) (1980) zum Ausdruck. Die Arbeiten der „Mülheimer Freiheit“ vergegenwärtigen auf besonders anschauliche Weise den Stilpluralismus, der die neue Kunst um 1980 insgesamt prägte.

Diese faszinierende Vielfältigkeit wird nicht nur im Vergleich der Gruppierungen und Künstler untereinander, sondern gerade auch im Werk der einzelnen Künstler sichtbar. Es ist dieselbe Offenheit, diese inhaltliche wie malerische Heterogenität, die auch ihre Bilder auszeichnet. Was aber all die Künstlerinnen und Künstler jenseits der Vielfalt verbindet, ist ihr Vermögen, selbst größte ästhetische wie inhaltliche Gegensätze zu überaus schlüssigen und stimmigen Bildern zu fügen. Ihre Malereien lassen sich dann und immer wieder von Neuem lesen als poetische Bild-Metaphern, deren Sinn und Bedeutung nie abschließend bestimmt werden kann und will.


Städel Museum

DIE 80ER – Figurative Malerei in der BRD

bis 18. Oktober 2015

ÖFFNUNGSZEITEN:
Di, Mi, Sa, So + Feiertage 10–18 Uhr, Do + Fr 10–21 Uhr
Sonderöffnungszeiten: Sa, 3.10. 2015: 10-18 Uhr

Eintritt: 14 Euro, ermäßigt 12 Euro, Familienkarte 24 Euro; freier Eintritt für Kinder unter 12 Jahren

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SOCIAL MEDIA anonym mit Hilfe des c't-Projektes Shariff

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