Der doppelte KIRCHNER

Kunsthalle, Mannheim | bis 31. Mai 2015
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Ernst Ludwig Kirchner - Fehmarndüne mit Badenden unter Japanschirmen, 1913 
(Bild: Kirchner Museum Davos, Schenkung aus Privatsammlung, 2000)

Auch ich muss etwas sparen jetzt, und das Material ist sehr kostspielig geworden. Aber die Leinwand hat Gott sei Dank 2 Seiten“, schrieb Ernst Ludwig Kirchner 1919.

Und so löste Kirchner, einer der weltweit bekanntesten deutschen Expressionisten, eine Vielzahl seiner Gemälde aus ihrem Keilrahmen, spannte sie anders herum wieder auf und bemalte sie erneut. Diese Rückseiten-Bilder stellen heute in Kunstwissenschaft und Kunsthandel ein heiß diskutiertes Thema dar. Die Kunsthalle Mannheim rückt sie gemeinsam mit dem Kirchner Museum in Davos und dem Kirchner Archiv in Wichtrach/Bern erstmals ins Zentrum einer Ausstellung.


„Vor kurzem wurde in London beim Auktionshaus Christie’s ein hochkarätiges Bild des Brücke-Künstlers Ernst Ludwig Kirchner versteigert. 1,7 Millionen US-Dollar zahlte der Käufer für die Rückseite. Das ist kein Witz. Eigentlich handelt es sich um ein spätes Werk von Kirchner, „Die Schlittenfahrt“. Doch auf der Rückseite der Leinwand befindet sich ein frühes Bild, „Badende am Meer“, eines der berühmten Motive aus seiner expressionistischen Phase. Auch wenn der Künstler selbst das frühe Bild verwarf, versteigert wurde nun eben dieses Werk als Vorderseite. „Der doppelte Kirchner“, das ist ein spannendes Phänomen, dem die Kunsthalle Mannheim nun die weltweit erste Ausstellung gewidmet hat.“ [ via SWR Kultur Regional am 9.2.2015 von Susanne Kaufmann ]

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Ernst Ludwig Kirchner - Badende am Meer / Schlittenfahrt - Foto Christies

Ernst Ludwig Kirchner (1880 — 1938)

zählt zu den bedeutendsten Vertretern des deutschen Expressionismus. Durch seine avantgardistische Lebenseinstellung und seinen befreiten Umgang mit Form und Farbe, hat er die Malerei des frühen 20. Jahrhunderts revolutioniert. Nach seinem Architektur-Studium gründete er 1905 zusammen mit Erich Heckel, Fritz Bleyl und Karl Schmidt-Rottluff die Künstlergruppe „Die Brücke“, deren Ansinnen es war, eine Verbindung (‚Brücke‘) zwischen Vergangenheit und Moderne zu bilden. Nach seiner Beteiligung als Freiwilliger im ersten Weltkrieg erlitt Kirchner einen Nervenzusammenbruch und wurde fortan medikamentös behandelt. 1917 siedelt er nach Davos in der Schweiz über.

Nachdem 1937 die Nationalsozialisten 639 Kirchner-Gemälde aus Museen entfernten — wovon 32 im Rahmen der Ausstellung „Entartete Kunst“ geächtet wurden — zerstörte Kirchner im März 1938 einen Teil seiner Bilder selbst und setzte seinem Leben im Juni 1938 ein frühes Ende.


Kunsthalle, Mannheim | bis 31. Mai 2015

Der doppelte KIRCHNER

Die zwei Seiten der Leinwand

Pressetext: Kunsthalle Mannheim www.kunsthalle-mannheim.de

KUNSTDRUCKE

Den Anstoß gab die Wiederentdeckung des „Marokkaners“ (1909/1910) im Jahr 2009 auf der Rückseite des Kirchner-Gemäldes „Gelbes Engelufer, Berlin“ (1913) aus der Sammlung der Kunsthalle Mannheim.

Anhand 17 exemplarischer doppelseitiger Werke stellt die Schau „Der doppelte Kirchner. Die zwei Seiten der Leinwand“ das spannende Feld der Werk- und Künstlerforschung vor und präsentiert die unterschiedlichen Perspektiven des Kunstbetriebs auf diese künstlerische Sonderheit, um eine wissenschaftliche und kuratorische Auseinandersetzung mit dem Phänomen in Gang zu setzen. Zentraler Punkt ist dabei der Umgang mit Rückseitenbildern im Kunstbetrieb oder die Frage nach den Möglichkeiten der Präsentation im musealen Raum.

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Sprache: deutsch/english
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Das OEuvre von Ernst Ludwig Kirchner (1880—1938), dem wohl bekanntesten deutschen Expressionisten, umfasst ein Phänomen, das in dieser ausgeprägten Form wohl bei keinem anderen Künstler der Klassischen Moderne zu finden ist: die Rückseitenbilder als eigene Werkkategorie.

Kirchner löste eine Vielzahl seiner Gemälde aus ihren Rahmen, drehte sie um und bemalte die Leinwand erneut. Diese Doppelbilder, derzeit 138 Stück, nehmen im Werk Kirchners eine besondere Stellung ein.

Die vorliegende Publikation greift das von Kunstwissenschaft und Kunsthandel heftig diskutierte Thema auf.


Via DEUTSCHLANDRADIO KULTUR / Rudolf Schmitz

„Die Mannheimer Kuratorin Inge Herold bezweifelt, dass es Geiz oder Materialnot waren, die Kirchner dazu brachten, soviele Leinwände umzudrehen und neu zu bemalen. Sie sieht in diesen doppelseitigen Bildern eine bewusste Strategie des Expressionisten, der seinen Ruhm eifersüchtig überwachte.

„Er war ja ein Künstler, der sich sehr stark mit seinem eigenen Werk auseinander gesetzt hat, das redigiert hat. Er hat übermalt, er hat Bilder vordatiert, er hat selbst über sein eigenes Werk unter Pseudonym geschrieben, also er hat wirklich an der Redaktion seines Werkes gearbeitet und ich denke, da gehören die Rückseitenbilder dazu. Er hat sie für die Nachwelt stehen lassen, auch wenn er sicher nicht wollte, dass wir sie doppelseitig präsentieren. Aber er hat sie nicht verworfen und übermalt. Und das, denke ich, ist schon eine sehr dezidierte Haltung, auch zum eigenen Werk“.“


Ist das Kunst oder kann das weg?

Christian Saehrendt für die NZZ | Artikel lesen

Durch die Präsentationsform sind die Gemälde zu dreidimensionalen Objekten geworden, die man umkreisen kann — der Betrachter mag nun selbst entscheiden, welche Seite ihm besser gefällt. Alles in allem ist es eine sehenswerte, kompakte Schau, die durch Kooperation mit dem Kirchner-Archiv Wichtrach/Bern und dem Kirchner-Museum Davos ermöglicht wurde und mit der die Stadt wieder einmal zeigt, dass Mannheim zu den unterschätzten Orten in der deutschen Kulturtopografie gehört.


Kunsthalle Mannheim

Der doppelte KIRCHNER

bis 31. Mai 2015

Öffnungszeiten

Dienstag bis Sonntag und Feiertage: 11 bis 18 Uhr
Mittwoch: 11 bis 20 Uhr
Montag: geschlossen
17. Mai – Internationaler Museumstag: Eintritt & Führungen frei !!
23. – 25. Mai – Pfingsten: Eintritt frei !!

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