Untitled (Er wachte auf und ging ins Bad)
(He woke up and went to the bathroom), 2002
Acrylic on untreated cotton 190 x 340 cm (2 parts)
Die Sammlung Falckenberg in Hamburg-Harburg zeigt vom 08.05. – 27.06. 2010 eine Werkschau von Andreas Schulze. Der Titel INTERIEUR steht für die Innensicht des Künstlers, der Kunst macht, um sich ein- und auszurichten, und kennzeichnet die eigenartigen, aberwitzigen Gegenstände seiner Umgebung. Andreas Schulze hat sich eine eigene skurrile Welt, ein Lebenshaus, geschaffen.
Meissner Porzellan statt Brillo-Box
Seine Kunst mit ihren für die Postmoderne so typischen Referenzen auf Künstler der Avantgarde von Donald Judd, Richard Long, Cy Twombly bis Andy Warhol ist lange als Malerei im herkömmlichen Sinne verhandelt worden. Die Spurensuche, zumal wenn sie ernsthaft betrieben wird, führt aber nicht weiter.
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Andreas Schulze dekonstruiert die Zusammenhänge in der mal spielerisch-heiter, mal bösartig zum Ausdruck gebrachten Absicht, die hohen Ziele und die Bedeutung seiner berühmten Vorgänger auf Normalität zurückzuschrauben. Die Avantgarde-Kunst, so Andreas Schulze in einem Interview, würde sich zwischen Extremen — Intellektualität und grober Banalität — bewegen. Ihm gehe es um das „bürgerliche Mittelmaß“, um Meissner Porzellan statt Brillo-Box oder Campbell-Dose.
Es ist Zeit umzudenken, und Andreas Schulze als konzeptuellen Maler mit dem Entwurf eines Lebensprogramms dadaistisch-surrealer Prägung zu begreifen. Von seinem Vorbild, dem wie er in Hannover geborenen Kurt Schwitters, stammt die Bemerkung: „Ich werte Sinn gegen Unsinn. Den Unsinn bevorzuge ich, aber das ist eine ganz persönliche Angelegenheit.“ Eine solche Einstellung steht auch für die Haltung von Andreas Schulze.
Andreas Schulze lebt und arbeitet in Köln und ist Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. Arbeiten des Künstlers befinden sich in zahlreichen privaten und institutionellen Sammlungen.
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KATALOG | Andreas Schulze. Interieur
Gebundene Ausgabe 200 Seiten Verlag der Buchhandlung König (16. September 2010) Sprache:Deutsch 28,4 x 24,6 x 2,4 cm
Die vorgelegte umfangreiche Monographie ist der Versuch, dem Phänomen Andreas Schulze auf die Spur zu kommen und seine Arbeit im Kontext postmoderner Kunstpraxis zu begreifen.
Andreas Schulze – INTERIEUR
Harald Falckenberg, 28. April 2010
Die Kunst des 54jährigen Andreas Schulze war und ist im besten Sinne unzeitgemäß. Nie hat er sich um die Trends im Betriebssystem Kunst geschert. Schulze malt Dinge, eigentümlich großformatige, farbintensive Motive mit Ornamenten, Kugeln, quadratischen und rechteckigen Formen, meist perspektivisch angelegt. Und er gestaltet Räume, Wohnzimmer mit Mobiliar, Lampen, Teppichen und Geschirr. Es sind Einblicke in eine altmodisch-naive Welt deutscher Gemütlichkeit, ein Design fernab modernistischer Vorstellungen.
Für die theorieorientierte, auf Gesellschaftsrelevanz setzende Kunst der 1970er und die politisch ausgerichtete Kontextkunst der 90er Jahre war Andreas Schulze kein Thema. Seine Zeit als Erfinder neuer bildhafter Welten schien gekommen, als sich in den 1980er Jahren unter dem Stichwort „Hunger nach Bildern“ eine Renaissance der Malerei konstituierte.
Es ging um die Mülheimer Freiheit, die jungen Wilden und international um Kunst der Transvanguardia. Andreas Schulze hat mit den Künstlern der Mülheimer Freiheit zusammengearbeitet und an deren Ausstellungen teilgenommen. Aber er blieb künstlerisch Außenseiter und persönlich Einzelgänger.
Die neo-expressionistische Haltung dieser Jahre mit ihrem Hang zum Hedonismus und zur Selbstdarstellung war nicht seine Sache. Er ist seiner Überzeugung, den „Dingen“, bis heute treu geblieben, dies auch gegenüber den neo-romantischen Tendenzen der Malerei der letzten zehn Jahre. Menschen haben in seinem Werk keinen Platz.
Artist’s Artist
Andreas Schulze genießt unter Künstlern von George Condo, Fischli und Weiss, Thomas Grünfeld, Gary Hume bis Gert und Uwe Tobias wie bei Ausstellungsmachern wie Lynne Cooke, Zdenek Felix, Robert Fleck, Udo Kittelmann, Kasper König und Ralph Rugoff hohe Anerkennung als „Artist’s Artist“. Seine Räume erinnern an den Merzbau, jenes Refugium, das der Künstler Kurt Schwitters als die Kathedrale seines erotischen Elends bezeichnete. Der Merzbau ist für die junge Gegenwartskunst von Jonathan Meese bis Gregor Schneider zum Modell geraten. Es geht um Formen der Lebenspraxis, die sich der Gesellschaft nicht widersetzen, sondern Alternativen schaffen, letztlich um Modelle des Eskapismus.
änderte sich das Klima in der Kunst. Eine der Gegenbewegungen zu den mini-malistischen und konzeptuellen Tendenzen des vorausgegangenen Jahrzehnts stellte die junge wilde Malerei dar, die sich vor der Kulisse eines stark expandierenden Kunstmarkts konstituierte.
Andreas Schulze (*1955) entwickelte sein künstlerisches Werk im Umfeld jenes Aufbruchs, setzte jedoch deutlich andere Akzente als die Neuen Wilden in Berlin oder Köln, die die schnelle expressive Geste, ich-betonten Habitus und Pathos ins Zentrum der Arbeit stellten.
Ausgangspunkt ist das Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie. In der Post-Beuys-Ära traten Punk und New Wave, schwarzes Leder und Plastik neben Fett, Filz und soziale Utopie. In einer Zeit, in der sich künstlerische, gesellschaftliche und politische Übergänge auf vielen Ebenen manifestierten, entwickelte Andreas Schulze eine eigenwillige konzeptuelle Malerei, die sich seither beharrlich der Vereinnahmung durch Labels und Trends widersetzt.
Monika Sprüth [ Sprüth Magers Gallery ] richtete ihre erste Ausstellung vom 5. Februar bis zum 8. März 1983 im weißgetünchten Loft eines Hinterhauses der Maria-Hilfstraße 17 in der Kölner Südstadt mit Andreas Schulze aus, den sie seitdem als Galeristin vertritt.
Schulzes Arbeiten stehen singulär im Umfeld der deutschen Malerei der letzten 30 Jahre. Als Anfang der 1980er Jahre die neuen Wilden die Wiedergeburt der Malerei postulierten, begann auch Andreas Schulze seine ersten großformatigen Arbeiten in diesem Kontext auszustellen. Doch so eng die persönlichen Freundschaften zu den Mitgliedern der Mülheimer Freiheit und der Berliner Wilden war, Schulzes Malerei stand immer außerhalb der allgemeinen Trends. Ähnlich wie bei Rene Daniels in Amsterdam wurde Schulzes Malerei von den Künstlerkollegen hoch geschätzt, seine Werke blieben jedoch weder inhaltlich, noch formal zuordenbar.
Schulze geht von der Wirklichkeit aus. Alltägliche Versatzstücke werden isoliert, gedreht, gewendet und in neue Umgebungen verschoben. Ihrer maßstäblichen Ausgangssituation entzogen, verlieren diese Objekte zwar nicht ihren realistischen Bezug und ihre Lesbarkeit, die Verfremdung entzieht den Objekten aber ihren Gebrauchswert und entwickelt sie zu komplexen Denkstücken.
Der Maler irritiert mit konstruktiver Malerei, aus der er plötzlich Witz schlägt – manchmal bewusst hin bis zu dem, was wir als »Kitsch« zu beargwöhnen pflegen.
The Unheimliche atmosphere of Schulze’s paintings
Andreas Schulzes Arbeiten zeigen eine surreale Welt, in der gewöhnliche Gegenstände aus der bürgerlichen Wohnkultur ihren Platz finden. Durch den narrativen Charakter und die alltägliche Banalität der Gegenstände wird zunächst ein Gefühl der Vertrautheit geschaffen, in das sich gleichzeitig Ambivalenz mischt. Die plakative Malweise und die großformatigen Leinwände erzeugen eine Vordergründigkeit, die den Betrachter irritiert und nach der rätselhaften Symbolik fragen lässt.
Charakteristisch für seine Arbeiten sind klare Kompositionen mit symmetrischem Aufbau in einem meist zentralperspektivisch gestalteten Raum. Dinge wie Äpfel, Kugeln, Häuser, Steine oder Autos finden eine runde, voluminöse Form und werden vor einen klaren Hintergrund gesetzt.
Bei Andreas Schulze bleiben die Bildräume – geschlossene Räume, Raumecken oder -ausschnitte, die den bildnerischen Prozess in den realen Raum zu erweitern scheinen – menschenleer. Dabei erfährt sein Bildinventar, das er häufig aus dem Kontext von Wohnen, Design und der Kunst der Moderne rekrutiert, eine verblüffende Transformation. Die großformatigen, stets zweiteilig und im standardisierten Format angelegten Tableaus lassen Bekanntes und Gewohntes fremd erscheinen – ganz so, als würde Andreas Schulze die Welt durch eine Distanz schaffende Spezialbrille sehen.
In seinen großformatigen Bilderns setzte sich Andreas Schulze zunächst mit der abstrakten Malerei auseinander. Seit Mitte der 1980er Jahre entstehen Bilder von aufgeräumten Interieurs – Wohnungen, in denen sich eine bürgerliche Lebenswelt spiegelt, in die sich einige merkwürdige Gegenstände eingeschlichen haben. So kann auch mal ein Reh über den Tisch auf das Marmeladenbrot blicken oder es findet sich eine Anordnung von Steinen und Kunstobjekten vor der Schubladenkommode („Ohne Titel“, 1986).
Ironic evocations of the Gemütlich
Seine originäre Bildsprache und sein Formenrepertoire präsentieren sich nicht nur auf der Leinwand, sondern werden auch in die Dreidimensionalität übertragen. So verarbeitet der Künstler beispielsweise Keramikschalen, Lampen oder Vorhänge, die allein oder im Zusammenhang mit seinen Bildern zu einer Gesamtinstallation kombiniert werden.
Andreas Schulze
studierte von 1976 bis 1978 Malerei an der Gesamthochschule in Kassel und von 1978 bis 1983 an der Kunstakademie Düsseldorf bei Dieter Krieg. In diese Zeit fielen die ersten Kontakte zur Mühlheimer Freiheit in Köln. Nachdem er sich zunächst mit den Möglichkeiten der abstrakten Malerei auseinandergesetzt hat, entstehen seit Mitte der 1980er Jahre Bilder mit aufgeräumten Interieurs. Seine Arbeiten wurden bisher unter anderem im Hamburger Kunstverein, in den Deichtorhallen, im Frankfurter Kunstverein sowie in der Kunsthalle Düsseldorf ausgestellt.
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