GUSTAVE COURBET – Ein Traum von der Moderne

Gustave Courbet - Selbstportrait mit Haschischpfeife3 1848_49 - Öl auf Leinwand 45 x 37 cm, Musée Fabre, Montpelier
Gustave Courbet - Selbstportrait mit Haschischpfeife 1848/49

Die Schirn Kunsthalle Frankfurt widmet GUSTAVE COURBET die erste umfassende Ausstellung in Deutschland – nach über 30 Jahren. Anhand von rund 100 Werken aus 11 Ländern — darunter Leihgaben aus Stockholm, Paris, Montpellier, Los Angeles, New York und Oslo — wird vom 15. Oktober 2010 bis 30. Januar 2011 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt erstmals der „andere“ Courbet vorgestellt.


Mit der von Professor Klaus Herding kuratierten Ausstellung wird gezeigt, wie Courbet ausgehend von der deutschen Romantik die Vision einer poetischen Kunst der Moderne realisiert hat, wie sie in der Folge bei Cézanne und Picasso, aber auch im Symbolismus, im Surrealismus und im magischen Realismus weiterentwickelt wurde. Die traumwandlerische Sinnlichkeit, die viele von Courbets Werken ausstrahlen, aber auch die Versenkung in entlegene, der Außenwelt verborgene Gegenden, sind ein Grund dafür, dass sich heute viele Künstler der Gegenwart auf ihn berufen.

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Schirn Kunsthalle Frankfurt | bis 30. Januar 2011

GUSTAVE COURBET – Ein Traum von der Moderne

Pressetext: Schirn Kunsthalle Frankfurt | www.schirn.de
Dossier COURBET Musée d'Orsay
Gustave Courbet Ein Traum von der Moderne

KATALOG | Gustave Courbet.
Ein Traum von der Moderne

Deutsche Ausgabe,
304 Seiten,
220 Abbildungen,
Hatje Cantz Verlag

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Der französische Maler Gustave Courbet (1819—1877) ist einer der faszinierendsten Künstler des 19. Jahrhunderts. Er gilt als bedeutendster Vorkämpfer einer politisch-realistischen Malerei und als Revolutionär der Pariser Commune. Courbet hat aber auch eine ganz andere Seite: Er war einer der großen Träumer der Geschichte. In seinen Porträts, aber auch in seinen Landschaftsbildern, Zeichnungen und Stillleben schildert er eine Welt der Nachdenklichkeit und der Wendung nach innen — ganz im Gegensatz zur hektischen Industrialisierung seiner Zeit.

Gustave COURBET Low tide, the beach at Trouville
Gustave Courbet - Ebbe am Strand von Trouville

Gustave Courbet, 1819 in Ornans bei Besançon in der Region Franche-Comtéals Sohn einer gutbürgerlichen Familie geboren, gilt seit jeher als Verfechter einer sozial engagierten Kunst. Berühmt ist in diesem Zusammenhang vor allem sein Gemälde „Die Steinklopfer“ (1849, 1945 vermutlich zerstört), in dem er den harten Alltag der Tagelöhner unbeschönigt vor Augen führt.

Gustave_Courbet - Die Steinklopfer 1849 - Öl auf Leinwand 165x257cm
Gustave Courbet - Die Steinklopfer 1849 - Öl auf Leinwand 165 x 257 cm

Der Schriftsteller Jules Champfleury in einem Artikel über die  Courbet-Separatausstellung 1855 : „Man will nicht zugeben, dass ein Steinklopfer ebensoviel wert ist wie ein Prinz. Der Adel entrüstet sich, dass so viel Meter Leinwand Leuten aus dem Volk zuteil wurden. Nur die Herrscher haben das Recht, in ganzer Figur dargestellt zu werden…“ Alles, was so dem guten Geschmack und den guten Sitten widersprach, wurde mit dem Schimpfwort „Realismus“ belegt, teilte Champfleury mit.

Antwort Gustave Courbets an Herrn Garcin, der ihn als sozialistischen Maler bezeichnet:
Diese Bezeichnung akzeptiere ich sehr gern. Ich bin nicht nur Sozialist, sondern darüber hinaus ein Anhänger der Republik. Mit einem Wort gesagt, bin ich für jede Revolution — und vor allem bin ich Realist. … Realist sein bedeutet auch, es aufrichtig mit der wahren Wahrheit halten.

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Courbets Schaffen wird außerdem mit seinem Engagement in der Pariser Commune in Verbindung gebracht. Für den Sturz der die napoleonischen Kriege ehrenden Vendôme-Säule durch die Pariser Commune im Mai 1871 wird Courbet 1873 allein verantwortlich gemacht. Er flüchtet noch vor dem Urteilsspruch in die Schweiz, wo er 1877 in La Tour-de-Peilz am Genfer See stirbt.

Courbets Zeitgenossen, darunter der Schriftsteller Jules Champfleury und der Philosoph Pierre-Joseph Proudhon, haben die bis heute dominante Sicht von Courbets Rolle als Verfechter des Realismus maßgeblich geprägt.

Unerschrockene Wahrhaftigkeit und die Darstellung politisch- gesellschaftlicher Themen sowie der Personen in ihrer Alltäglichkeit im Anschluss an die spanische und niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts gelten als wichtige Merkmale des Realismus. Gerade in Deutschland, wo Courbet in den 1850er-Jahren besonders in Frankfurt und München größere Erfolge als in Frankreich selbst feierte, wurde er als wegweisender Maler des Realismus verehrt. In der Definition von Realismus ist jedoch auch eine Komponente enthalten, die über die schiere Abbildung des Gegenstands hinauszielt. Denn der Künstler, der etwas „realistisch“, das heißt unbeschönigt, darstellt, will in der Regel eben dadurch diese „schlechte“ Wirklichkeit überwinden: Realismus enthält, im Gegensatz zum Naturalismus, einen idealistischen Impuls.

Der Realismus

Das Vorwort dieser für zehn Centimes verkauften Broschüre, welche seine persönliche Ausstellung im Pavillon des Realismus, am Rande der Weltausstellung von 1855 begleitete, wird oft als ein Manifest des Realismus angesehen. [  via Dossier COURBET Musée d’Orsay ]

Die Bezeichnung Realist wurde mir aufgezwungen, wie man den Männern von 1830 die Bezeichnung Romantiker aufzwang. Zu keiner Zeit jedoch haben Bezeichnungen eine richtige Vorstellung von den Dingen vermittelt: wenn dem anders wäre, wären die Werke überflüssig.
Ohne weiter auf die Berechtigung einer Bezeichnung einzugehen, die hoffentlich niemand genau zu verstehen braucht, werde ich mich hier mit einigen Worten der Erklärung begnügen, um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen.
Ich habe ohne jegliche Voreingenommenheit und außerhalb jeden systematischen Denkens die Kunst des Altertums und der Moderne studiert. Ich wollte weder die Eine noch die Andere nachahmen, mein Bestreben war auch nicht auf das unnütze Ziel von „l’art pour l’art“ gerichtet. Nein! Ich wollte ganz einfach aus der umfassenden Kenntnis der Tradition das überlegte und unabhängige Gefühl meiner persönlichen Eigenheit schöpfen.
Können setzt Wissen voraus, das war mein Gedanke. Im Stande sein, die Sitten, die Ideen, die Gesichtspunkte meiner Epoche nach meinem Empfinden auszudrücken, nicht nur als Maler, sondern als Mensch, kurz, mein Anliegen ist es, lebende Kunst zu machen.“

Bewusst rückt die Ausstellung in der Schirn das Phänomen des Realismus in den Hintergrund und kehrt den „anderen“, träumerischen Courbet hervor. Aus gutem Grund: Denn selbst wo es bei Courbet einen unmittelbaren Zugriff auf die Realität gibt, erweist sich dieser als ein Mittel der Innenwendung und Verfremdung.

Courbets Porträts zeigen oft einen träumerischen Hang zur Introspektion, Landschaftsbilder stellen abgelegene Fels- und Waldgebiete vor, Meeresbilder zeugen von Einsamkeit, Jagdbilder sprechen von Identifikation mit dem Opfer, Stillleben führen uns in eine verwunschene Welt, in der die Maßstäbe der Außenwelt nicht mehr gelten. Nicht wenige Figuren sind traumverloren, werden schlafend oder im Halbschlaf vorgestellt, oft mit Anzeichen jener Sehnsucht, die auf einen Wunschtraum schließen lässt. Selten sind Courbets Figuren handelnd dargestellt, mitunter ist die Erzählung innerhalb eines Bildes unterbrochen, manchmal bricht ein heftiges Gefühl hervor, meist aber herrschen leise Zwischentöne vor.

Die Technik des Künstlers entspricht diesem Hang zu Zwischentönen. Grelle, ungemischte Farben sind selten. Courbet meidet Eindeutigkeit. Vielfach bezeichnet die Farbe nicht mehr einen bestimmten Gegenstand, sondern reicht über diesen hinaus oder „unterwandert“ ihn sogar, verteilt sich über das Bild und gibt dem Zufall Raum. Durch die Methode, Farbe mit dem Spachtel auf- und wieder abzutragen, hat Courbet eine „ordentliche“, sprich akademische, Feinmalerei buchstäblich unmöglich gemacht. Auch kommt es zu erstaunlichen Umkehrungen. Das Feste (wie Felsgestein) wird transparent, das Unfeste (wie Wasser) wird undurchdringlich wiedergegeben. Dabei wechselt der Maler oft sprunghaft zwischen beiden Arten des Farbauftrags. Solche Verfahren haben die Sehgewohnheiten des 19. Jahrhunderts erschüttert und wirken bis zur Kunst der Gegenwart weiter, sodass wir Courbets Bedeutung heute in dieser Umwälzung und weniger in revolutionären Gesten erkennen.


VIDEO | Gustave Courbet in der Frankfurter Schirn [ Dennis Wagner für Deutsche Welle TV ]


Schließlich offenbart Courbet in seinen Gemälden und Zeichnungen ein ungewöhnlich breites emotionales Spektrum, das von Erschrecken und Selbstzweifeln spricht, aber auch kranke und misstrauische Züge von Zeitgenossen einfängt oder aber Überlegenheit und selbstbewusstes Auftreten zeigt — dies alles, ohne sich je dem zu seiner Zeit vorherrschenden Bedürfnis nach idealisierender Repräsentation zu beugen.

Die in den Porträts betriebene Erforschung der Innenwelt und die in den Landschaftsbildern erreichte Auflösung der Materie sind neben den politischen Inhalten seiner Malerei die beiden großen künstlerischen Neuerungen. Diese drei großen Verdienste Courbets — Gesellschaftskritik, Abstraktion, Introspektion — lassen sich jedoch nicht immer trennen, greifen vielfach ineinander. Wenn Courbet einmal sagte: „Ich bringe selbst die Steine zum Denken“, dann zeigt das, wie sehr er in die Innenwelt der Dinge eindrang, um die Wirklichkeit poetisch reflektierend umzuformen.

Wie fruchtbar die durch Courbet provozierte Erschütterung der Tradition für Manet und Cézanne, aber auch für Picasso oder de Chirico, für Beckmann und Duchamp gewesen ist, sieht man daran, dass jeder dieser Künstler, aber auch viele Maler der Gegenwart wie Gerhard Richter oder Neo Rauch ganz unterschiedliche Qualitäten Courbets für sich in Anspruch genommen haben.

Die Ausstellung in der Schirn ist auch aufgrund der persönlichen Beziehung des Künstlers zur Stadt Frankfurt von besonderer Bedeutung. Mit Courbet war Frankfurt dem Pariser Kunstleben so nah wie noch nie. Bereits 1852 stellt Courbet in Frankfurt aus. In der Lederhalle zeigt er seine Arbeit „Ein Begräbnis in Ornans“ (1849) und löst damit heftige Debatten aus. Es galt als unerhört, eine alltägliche Szene wie ein dörfliches Begräbnis in der Form eines Historienbildes zu gestalten.

„Courbet ist ein Aufrührer, weil er Bürger, Bauern und Dorfweiber in voller Lebensgröße darstellt. Das war der erste Punkt. Man will nicht zulassen, dass ein Steinklopfer soviel wert sei wie ein Prinz: die Aristokraten rechnen nach, wie viel Leinwand dem einfachen Volk zugemessen wird; nur Obrigkeiten dürfen in ganzer Figur abgebildet werden mit all ihren Medaillen, Stickereien und der offiziellen Physiognomie. Wie? Ein Mann aus Ornans, ein Bauer in seinem Sarg, erlaubt sich, zu seinem Begräbnis eine beachtliche Menschenmenge zu versammeln: Pächter und Leute aus dem niederen Volk…“ [ Champfleury, Über den Realismus, Briefe an Madame Sand, 1855 ]

Gustave Courbet. Ein Begräbnis in Ornans 1849 Öl auf Leinen. 314 x 663 cm. Musée d’Orsay, Paris Ausschnitt
Gustave Courbet - Ein Begräbnis in Ornans 1849 Öl auf Leinen 314 x 663 cm
Musée d’Orsay, Paris | Ausschnitt

„Das war keine gewöhnliche Beisetzung: Hier wurde die Romantik beerdigt.  Genau so wird er weiter machen: als Provokateur. Er will Gemälde zeigen, die den Betrachter wie „Faustschläge“ treffen; … [ Martina Meister ]

Nach weiteren Ausstellungen in der Stadt weilt er 1858/59 für mehrere Monate erstmals persönlich in der Region und schafft hier bedeutende Werke wie die „Dame auf der Terrasse“ und „Ansicht von Frankfurt“. Eines seiner größten Jagdbilder, der „Hirsch am Wasser“ (1858—1861), wurde hier begonnen. Im Übrigen knüpft Courbet hier viele Kontakte und begründet eine Frankfurter Malerschule. Später übt er entscheidenden Einfluss auf so bedeutende Künstler wie Wilhelm Leibl, Hans Thoma, Carl Schuch und die Kronberger Malerschule aus.

Einen Höhepunkt der Ausstellung bilden neben den Landschaftsbildern die Meeresbilder, sowohl im Hinblick auf die Eigenständigkeit der Materie wie auch aufgrund der antizivilisatorischen Eigenständigkeit dieser Gemälde, die zwischen 1865 und 1873 entstehen. Zur gleichen Zeit, vor allem nach dem Scheitern der Pariser Commune, malt Courbet selbstreflexive Stillleben, in denen er über Leben und Tod, auch über sein eigenes Ende, reflektiert.


Gustave Courbet Arte Edition DVD - GUSTAVE COURBET - Ein Traum von der Moderne

DVD | Gustave Courbet.
Arte Edition

Format: HiFi Sound
Sprache: Deutsch (Dolby Digital 2.0 Stereo), Englisch (Dolby Digital 2.0 Stereo), Französisch (Dolby Digital 2.0 Stereo)
Region: Alle Regionen
Bildseitenformat: 4:3 – 1.33:1
Anzahl Disks: 1
Erscheinungstermin: 22. Oktober 2010
Spieldauer: 108 Minuten

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Inhalt:

Gustave Courbet, die Ursprünge seiner Welt
Diese Dokumentation spannt den Bogen von Courbets großem Genrebild „Ein Begräbnis in Ornans“ bis zu seinem wohl bekanntesten Gemälde „Der Ursprung der Welt“. Sie beleuchtet die Auseinandersetzungen mit seinen Feinden und Neidern ebenso wie sein Engagement in der Pariser Kommune. Dabei stellt das filmische Porträt den „Maler des Wahren“ in den Mittelpunkt, den Künstler, der mit den ästhetischen Regeln seiner Epoche brach und die Kunst von der ihr zugewiesenen Rolle befreite.
Laufzeit: 52 Minuten
Produktiosjahr: 2007
Regie: Romain Goupil

Der Ursprung der Welt
1866 malte Gustave Courbet das »nackteste Nacktbild« der Kunstgeschichte, „Der Ursprung der Welt“: Die weibliche Genitalregion im Zentrum des Bildes schockierte den Kunstbetrieb bis ins Mark, das Bild verschwand für lange Jahre aus den Augen der Öffentlichkeit. 1995 wurde es in die Sammlung des Pariser Musée d’Orsay aufgenommen.
Laufzeit: 26 Minuten
Produktionsjahr: 1996
Regie: Jean-Paul Fargier

Der Platz des Todes
„Ein Begräbnis in Ornans“ wird 1851 im Pariser Salon ausgestellt und als Skandal empfunden: Auf dem sieben Meter langen Gemälde sind ganz gewöhnliche Leute zu sehen – derartige Dimensionen waren normalerweise der Historienmalerei vorbehalten. Courbets „Realismus“ entfaltet eine neue Art, den Betrachter zu einer subtilen Selbstwahrnehmung zu bringen, und ist eine metaphysische Erfahrung für Augen und Sinne.
Laufzeit: 30 Minuten
Produktionsjahr: 1996
Regie: Alain Jaubert

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