Jonathan Meese - Mama Johnny Deichtorhallen Hamburg 2006
Foto: Jens Ullheimer
Die Hamburger Deichtorhallen präsentierten 2006 die erste umfassende Werkübersicht von Jonathan Meese in Deutschland. Es wurden 150 Gemälde, Skulpturen, fotografische und installative Arbeiten des „selbsternannten Kulturexorzisten“ ( Tate Modern London ) gezeigt. Ein Rückblick mit Video von der legendären Pressekonferenz.
Erstmals seit 14 Jahren wurden in Europas größter zusammenhängenden Ausstellungsfläche für zeitgenössische Kunst sämtliche Stellwände der 18 Meter hohen Halle beiseite geräumt, um einen direkten Dialog zwischen Meeses Werk und der Architektur auf rund 2500 Quadratmeter zu ermöglichen.
Deichtorhallen Hamburg 30.04.2006 — 03.09.2006
JONATHAN MEESE — Mama Johnny
Pressetext Deichtorhallen Hamburg
Das Zentrum der Ausstellung bildete die 8 Meter hohe, 20 Meter breite und 40 Meter lange „Black Box“, in der Meese sein für Frank Castorfs „Kokain“-Inszenierung an der Berliner Volksbühne entworfenes Bühnenbild samt Drehbühne sowie eine Tribüne installiert hat. Rund um die zentrale Theaterspielstätte entstand ein riesiges Gemälde.
KATALOG | Jonathan Meese. Mama Johnny
Gebundene Ausgabe 347 Seiten mit zahlreichen farbigen Abbildungen Verlag der Buchhandlung König Sprache: Englisch / Deutsch 32,2 cm x 24,4 cm x 3,3 cm
Dieses Buch wurde von Meese als künstlerische Antwort auf die Deichtorhallen-Ausstellung gestaltet: Die 280-seitige Bildstrecke hat er selbst zusammengestellt. Ergänzt wird diese um einen umfangreichen Textteil.
In stets überbordender Kulisse aus Bildern, Texten, (Ab-)Zeichen, Objekten und eigenen Wortschöpfungen, die von allen erdenklichen Macht-Menschen, Mythen und Geistesgrößen der Historie, Stars und Sternchen der Popkultur oder seinen Helden aus Fiktion und Filmen handeln, kreiert Meese fernab der Norm sein eigenes Universum. Es wird bevölkert von Caligula, Stalin, Marquise de Sade, Richard Wagner, Balthus, Zardoz oder Dr. No, um nur einige Personen und Figuren zu nennen, denen Meese neue Bedeutungs-zusammenhänge zuweist, wobei er absichtlich die Konventionen überschreitet und eigenen Gesetzen folgt.
Jonathan Meese (geb. 1971) gehört zur Gruppe jüngerer deutscher Künstler, die derzeit international Interesse findet. Er wuchs in der Nähe von Hamburg auf, wo er bis 1998 an der Hochschule für Bildende Künste studierte. Nach Auftritten in Tokio und der Turbine Hall der Londoner Tate Modern im Februar 2006 präsentierte er nun die erste große Ausstellung in seiner Heimatstadt.
Inszenierung und Performance
Noel Coward is back
Dr. Humpty-Dumpty vs. Fra No-Finger
Performance
Tate Modern London, United Kingdom, February 2006
Am 27. und 28. April führten Regisseur Castorf und das Ensemble der Volksbühne exklusiv in Hamburg die Aufsehen erregende Inszenierung des immer wieder auf dem Index gelandeten Skandalromans der Zwanziger Jahre „Kokain“ auf. Produziert wurde das voll funktionstüchtige Theater von Contemporary Fine Arts, Berlin. Ausstellung und Theater werden in der Meese-Schau der Deichtorhallen Hamburg wie selten zuvor miteinander verzahnt. Am 24. Mai war Jonathan Meese selbst auf der Drehbühne mit seiner Performance „DER GEOMETRISCHE GOTT (die hermetische, ZEUSHAFTE NEUTRALITÄT der Tyrannis)“ zu sehen.
Die Verbindung von „großem“ Theater und Ausstellung ist auch für den multi-medial arbeitenden Ausnahmekünstler ein neues Terrain, für seine außergewöhnlichen Performances hingegen ist Meese weitläufig bekannt. In stets überbordender Kulisse aus Bildern, Texten, (Ab-)Zeichen, Objekten und eigenen Wortschöpfungen, die von allen erdenklichen Macht-Menschen, Mythen und Geistesgrößen der Historie, Stars und Sternchen der Popkultur oder seinen Helden aus Fiction und Filmen handeln, kreiert Meese fernab der Norm sein eigenes Universum. Es wird bevölkert von Caligula, Stalin, Marquise de Sade, Richard Wagner, Balthus, Zardoz oder Dr. No, um nur einige Personen und Figuren zu nennen, denen Meese neue Bedeutungszusammenhänge zuweist, wobei er absichtlich die Konventionen überschreitet und eigenen Gesetzen folgt.
über Liebe, Respekt, Kunst, Freiheit, Unterdrückersysteme abschaffen
und Rolf Windorf´s (Volksbühne Berlin) Hamburger Störtebeker-Galgen-Kreation.
[ video: Jens Ullheimer, 2006 ]
„Ich erkämpfe mir Freiräume, in denen niemand mehr ist. Da ist keiner mehr unterwegs“, sagte Meese einst über seine Arbeit, die nur schwierig definierten Stilrichtungen zuzuordnen ist.
„Vor Jörg Immendorff habe ich schon einen spezielleren Respekt, das muss ich ganz ehrlich sagen, allerdings ist der nicht altersabhängig. Das hat etwas mit Zeit zu tun, die man in der Sache verbracht hat. Den beiden, sowohl Immendorf als auch Oehlen, muss man einfach sehr viel Respekt dafür zollen, dass sie so lange, so kämpferisch geblieben sind. Sie haben auch mal ihre Fresse gezeigt, viel falsch gemacht, viel riskiert und viel Blödsinn geredet haben, was ein Künstler, meiner Meinung nach, machen muss. Ein Künstler muss sich viel sinnloses, unzusammenhängendes Zeug erlauben und darf das auch. Einzig, es ist heute nicht mehr erlaubt, gerade bei den 25-Jährigen nicht mehr. Die wollen jedes Wort auf die Waagschale legen, es muss alles abgesichert werden. Alles ist glatt poliert und stromlinienförmig.“
Meese begab sich schon mehrmals in die produktive Auseinandersetzung mit verschiedenen Künstlerkollegen. Den dabei entstandenen ‚Werken in Zusammenarbeit’ — mit Jörg Immendorff, Albert Oehlen, Daniel Richter und Daniel Richter und Tal R sind in der Ausstellung eigene Räume gewidmet.
Einer davon ist die Installation „MOR“ (MUTTER), eine rosa Burg, die Meese mit TAL R für deren Gemeinschaftsausstellung im Kopenhagen Statens Museum konzipierte.
MOR (MUTTER) Jonathan Meese und TAL R [ video: Jens Ullheimer, 2006 ]
Neben der Burg und der „Black Box“ wurden noch zwei weitere große, freistehende und begehbare Skulpturen in der Deichtorhalle installiert. Der fünf Meter hohe „Maldororturm“, dem Meese im Jahr 2000 seine endgültige Form gab und dem Abteimuseum Mönchengladbach schenkte, beinhaltet Fotocollagen, Schriften, Videos und Skulpturen, in denen Meese sich mit dem Wesen der Staatstyrannei beschäftigt. Außerdem der drehbare „Parzifalkopf“, eigentlich der Schädel Richard Wagners, in dem Meese letztes Frühjahr an der Berliner Staatsoper die Performance: „JONATHAN MEESE IST MUTTER PARZIVAL“ darbot.
PUBLIKATION | Jonathan Meese. Die Diktatur der Kunst. Das radikalste Buch
Texte von Jonathan Meese und Jan Bauer. Mit eingelegter DVD mit Performance-Videos
„Die Diktatur der Kunst ist das Radikalste, das jemals seit Menschengedenken formuliert wurde.“ Was Jonathan Meese zur Veröffentlichung dieser Behauptung veranlaßt, ist aus seinem wohl bisher frechsten und radikalsten Künstlerbuch zu erfahren. Schonungslos wettert er gegen alle historischen und gegenwärtigen Gesellschaftsordnungen und erklärt sie für gescheitert und auch für die Zukunft völlig unbrauchbar. Meese wäre jedoch nicht Meese, würde er es nur wie viele seiner Zeitgenossen beim Anprangern bzw. „schöngeistigen Reflektieren“ der bestehenden Verhältnisse belassen. Seinem metabolischen Denken und Handeln verdankt er schließlich die Erkenntnis von der Herrschaft einer Sache.
Dieses Prinzip legt Meese auf alle unsere politischen Herrschaftsformen um und proklamiert, daß weltweit alle Menschenmachtsfanatistenpolitiker abdanken und ihre Macht einer Sache übertragen sollen. Und diese alles überragende, von Menschenmacht vollkommen unabhängige Sache sieht Jonathan Meese in nichts anderem als in der Kunst. Der Sache Kunst jegliche politische Menschenmacht zu schenken und von da an über alle und alles diktatorisch regieren zu lassen, sagt Jonathan Meese, sei die ultravisionärste Totalutopie aller Zeiten. Mit der Herausgabe dieser Kampfschrift, sagt er, könne niemand mehr behaupten, dass er von nichts „was gewußt“ haben will.
Jonathan Meese - Mama Johnny Deichtorhallen Hamburg 2006
Foto: Jens Ullheimer
Das Interview mit Jonathan Meese wurde am 21.3.2005 von Tina Petersen und Angelika Leu-Barthel in den Deichtorhallen Hamburg geführt
Frage: Im Zentrum dieser Ausstellung steht eine Theaterbühne; diese Welt war Ihnen bis zu dem Zeitpunkt, als die Volksbühne Sie anfragte, unbekannt. Wie kam es dazu?
Meese: Ich war vorher vielleicht drei Mal in meinem Leben im Theater. Die Welt war für mich nicht existent. Die Zusammenarbeit mit der Volksbühne kam über den Bühnenbildner Bert Neumann zustande. Er fragte mich irgendwann, ob ich nicht Lust hätte, ein Bühnenbild für den Frank Castorf zu machen. Diesen Name hatte ich schon mal vage gehört, ganz vage! Ich habe natürlich ja gesagt. Ich bin ja immer für neue Sachen und neue Techniken zu haben und will gern alles ausprobieren.
Frage: Glauben Sie, dass man Sie deshalb gefragt hat, weil sich das Stück „Kokain“ ja, um Rausch, Hingabe, Sex, Selbstzerstörung, Todessehnsucht, kurzum um Mega-Exzess in jeder Hinsicht dreht?
Meese: Ja, von der hypnotischen Wirkung her ist es völlig richtig, dass ich das gemacht habe. Und es passt natürlich außerdem, weil es ja bei dem, was ich mache, auch um Verausgabung geht. Und um Verlegenheit, um Scham und darum beides zu überdecken, auch durch Alkohol und andere Sachen. Vom Rausch oder besser von der Besessenheit her, bin ich, glaube ich, die richtige Person. Erst recht vom manischen her. Ich bin ja manisch im besten Sinne. Also was das Material sammeln angeht oder sich zu überfrachten, alles zu überschichten. Es geht um Überdehnung. Überdehnung von Begriffen, Wörtern, Methoden und Systemen. Alles so lange überdehnen, bis es kaputt geht.
Frage: Ihre Herangehensweise an die Kunst und die des Theaters scheinen sehr verwandt zu sein. Das zeitgenössische Theater ‚überdehnt’ ja auch sehr stark, bisweilen sogar so sehr, dass es für manche Besucher nicht mehr auszuhalten ist und sie das Theater verlassen. Tauchen Sie durch die Arbeit am Bühnenbild nun stärker ins Theater ein? Merken Sie da eine Nähe?
Meese: Absolut! Das ist eine Welt, die sich gerade für mich öffnet. Mir werden da Möglichkeiten geschaffen und Perspektiven gegeben, das ist wahnsinnig. Zum Beispiel eigene Theaterstücke schreiben, sie aber auch auf die Bühne bringen. Das bedeutet, das ganze Feld noch mal völlig aufzubrechen. Ich bin ja bislang immer alleine auf der Bühne und jetzt kommt vielleicht ein professionelleres Team zusammen, in dem Sinne, dass ich mit Schauspielern arbeiten kann. Vielleicht auch selber mal gar nicht auf die Bühne gehe und die nur machen lassen. Gerade die Volksbühne ist noch ein Ort, an dem Freundschaft, Respekt, Liebe, Vision, Kampfgeist und Utopie noch etwas zählen. Da wird noch etwas entwickelt und riskiert.
Frage: Ich zitiere mal eine Kritik der „Kokain“-Inszenierung, die insbesondere auf Ihr Bühnenbild abhob. Die „Stuttgarter Zeitung“ schrieb: „Mit einer kakophonischen Reizüberflutung will Regisseur Castorf das Publikum in einen Schwindelzustand versetzen, als hätte es gekokst. Dafür stemmte ihm der international gefeierte Nazi-Trash-Künstler Meese ein Eisernes Kreuz auf die Drehbühne. Die rundum mit obszönen Schmierereien, Graffiti und Videoschirmen dekorierte Installation birgt im Innern einen „Erznazigoldstall“, das ist ein Bordell, dessen Innenleben durch Handkameras nach außen übertragen wird“. Wie erklären Sie sich, dass Sie auf der einen Seite himmelhoch gelobt und geliebt und auf der anderen niedergeschrieben und als Nazi-Trash-Künstler beschimpft werden?
Meese: Das scheinen schon logische Konsequenzen, dessen was ich tue, zu sein, aber immer abgeleitet von Befindlichkeiten. Diese Menschen, die das so schreiben, die haben ein Problem mit sich selbst. Die argumentieren aus ihrer Befindlichkeit heraus.
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