Louise BOURGEOIS | Das gesponnene Kind

Gropius Bau, Berlin | bis 23. Oktober 2022
louise bourgeois arch of hysteria 1200 - Louise BOURGEOIS | Das gesponnene Kind
Louise Bourgeois, Arch of Hysteria [Bogen der Hysterie], 2004.
Stoff, hängendes Werk; 21,6 x 53,3 x 12,1 cm
© The Easton Foundation/VG Bild-Kunst, Bonn 2022 und VAGA at ARS, NY,
Foto: Christopher Burke

The Woven Child ist die erste große Ausstellung, die sich ausschließlich mit dem textilen Werk von Louise Bourgeois beschäftigt. Anhand einer Vielzahl von Skulpturen, Installationen, Zeichnungen, Collagen, Büchern und Drucken zeigt sie die lebenslange Verbindung der Künstlerin zu Textilien – und die Erinnerungen, die diese hervorriefen.

Die textilen Arbeiten, mit denen Bourgeois erst im Alter von über achtzig Jahren begann, gehören zu ihren eindringlichsten und intimsten Werken. Der späte Entschluss, aus ihrer Kleidung und Haushaltstextilien Kunstwerke zu schaffen, war ein Mittel, die Vergangenheit sowohl zu transformieren als auch zu bewahren. Bourgeois verarbeitete die Gegenstände, mit denen sie Erinnerungen an bestimmte Orte und Menschen verband, zu skulpturalen Installationen. Viele davon werden im Gropius Bau zu sehen sein, zum Beispiel ihre Cells und die freistehenden „pole pieces“.

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Die sorgfältig recherchierte Ausstellung wirft ein neues Licht auf Bourgeois, indem sie ihre textilen Arbeiten mit den Prozessen der Materialauswahl, ihrer Biografie und den Themen Körper, Erinnerung, Weiblichkeit, Trauma und Reparatur in Verbindung bringt.

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Gropius Bau, Berlin | bis 23. Oktober 2022

Louise Bourgeois. The Woven Child

Pressetext: Gropius Bau
KuratorIn:
Ralph Rugoff, Direktor der Hayward Gallery,
Julienne Lorz, ehemalige Hauptkuratorin des Gropius Bau
Louise Bourgeois The Woven Child Katalog 700 - Louise BOURGEOIS | Das gesponnene Kind

KATALOG | Louise Bourgeois.
The Woven Child

Klappenbroschur
208 Seiten
179 Abbildungen
Sprache: Deutsch
24,00 x 28,00 cm

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Magische Kraft der Nadel

»Ich war schon immer fasziniert von der magischen Kraft der Nadel. Nadeln werden benutzt, um einen Schaden zu beheben. Sie sind eine Forderung nach Vergebung.«

Das Buch liefert einen Überblick über die textilen Arbeiten aus den letzten zwei Lebensjahrzehnten von Louise Bourgeois.

Für diesen Werkkomplex verwendete die Künstlerin Kleidungsstücke aus allen Bereichen ihres Lebens, später erweiterte sie ihn um andere Textilien wie Bettwäsche, Tapisserien und Stickereien. In Bourgeois’ textilen Arbeiten setzen sich die Themen Identität und Sexualität, Trauma und Aufarbeitung, Schuld und Wiedergutmachung fort. Sie dienen als Metaphern emotionaler und psychologischer Zustände. Der Katalog, der zur Ausstellung in der Hayward Gallery und dem Gropius Bau in deutscher und in englischer Sprache erschienen ist, zeigt zahlreiche Arbeiten, wie die monumentalen Cell Installationen, figurative Skulpturen oder abstrakte Stoffzeichnungen.


Der Gropius Bau freut sich, mit The Woven Child die erste große Retrospektive zu präsentieren, die sich ausschließlich Louise Bourgeois’ textilen Arbeiten widmet. Diese entstanden im letzten Kapitel ihrer bewegten Karriere und gehören zu ihren eindringlichsten und intimsten Werken. Anhand einer Vielzahl von Skulpturen, Installationen, Zeichnungen, Collagen, Büchern und Drucken zeigt die Ausstellung die lebenslange Verbindung der Künstlerin zu Textilien – und die Erinnerungen, die diese bergen. The Woven Child umfasst eines der umfangreichsten Spätwerke der Kunstgeschichte und ist die größte Ausstellung von Louise Bourgeois, die bisher in Berlin gezeigt wurde. Zahlreiche Werke sind zudem zum ersten Mal in Deutschland zu sehen.

„Ich stamme aus einer Familie von Reparateuren. Spinnen sind Reparateurinnen. Wenn man in ein Spinnennetz schlägt, wird die Spinne nicht wütend. Sie webt es weiter und repariert es.“

Louise Bourgeois

Louise Bourgeois schuf in ihrer letzten Lebensphase Arbeiten, die sich auf neue und provokante Weise mit zeitlosen Themen wie der Erkundung von Identität, Sexualität, familiären Beziehungen, Reparatur und Erinnerung auseinandersetzen. The Woven Child untersucht das, was die Künstlerin mit ihren eigenen Worten als „die magische Macht der Nadel“ bezeichnet, die dazu dient „Schäden zu reparieren“ und Vergebung einzufordern.

Ab Mitte der 1990er Jahre bis zu ihrem Tod im Jahr 2010 schuf Bourgeois erstaunlich erfinderische und psychologisch aufgeladene Skulpturen aus Haushaltstextilien wie Kleidung, Bettwäsche und Tapisseriefragmenten, die häufig aus ihrem eigenen Haushalt und ihrer persönlichen Vergangenheit stammten. Die Abkehr von traditionellen Materialien der Bildhauerei stellte eine Rückkehr zu den Wurzeln der Künstlerin dar. Bourgeois entwickelte bereits in ihrer Kindheit eine Beziehung zu Textil, als sie in der Tapisserie-Reparaturwerkstatt ihrer Familie in Frankreich aushalf. Ihre Entscheidung, Arbeiten aus Kleidung und Haushaltstextilien zu fertigen, stellte eine Möglichkeit dar, die Vergangenheit sowohl zu bewahren als auch zu transformieren. Die notwendigen Tätigkeiten für die Produktion dieser Kunstwerke betrachtete sie dabei aus psychologischer und metaphorischer Perspektive: das Schneiden, Reißen, Nähen und Zusammenfügen verband sie mit einem Verständnis von Reparatur sowie mit den durch Trennungen oder Verlassenwerden hervorgerufenen Traumata.

„Für Louise Bourgeois boten Textilien eine Möglichkeit, psychologische, soziale und materielle Ausbesserungs- und Reparaturprozesse vorzunehmen. Das Thema der Reparatur ist zentral für die Geschichte, Architektur und die Ausstellungen des Gropius Bau und wesentlich für das Programm des Hauses. Der Gropius Bau freut sich sehr, mit The Woven Child Wege aufzuzeigen, wie Fragen der Reparatur auf kreative Art wirksam sein können.“

Stephanie Rosenthal, Direktorin des Gropius Bau

Mit 89 Werken bietet The Woven Child einen Überblick über die gesamte Spanne textiler Arbeiten, die Bourgeois in den letzten zwei Jahrzehnten ihres Lebens schuf. Die Ausstellung umfasst zentrale Installationen, wie Bourgeois’ „Poles“ und monumentale „Cells“, in denen hängende Kompositionen aus alten Kleidern, Unterwäsche und anderen Kleidungsstücken direkte Bezüge zu ihrer persönlichen Geschichte herstellen. Die Installation Spider (1997) und die damit verbundene Cell Lady in Waiting (2003) beinhalten antike Tapisseriefragmente. Bourgeois verstand die Spinne als Beschützerin und als Raubtier zugleich und verband sie mit ihrer Mutter, der Weberin und Tapisserie-Restauratorin. Die Fähigkeit der Spinne, ein Netz aus ihrem eigenen Körper heraus zu weben, war für Bourgeois eine Metapher, um ihren eigenen künstlerischen Schaffensprozess zu beschreiben – eine Metapher, die auch die Retrospektive ihrer textilen Arbeiten in besonderer Weise prägt.

Die Ausstellung umfasst ein breites Spektrum figurativer Skulpturen, denen häufig der Kopf oder die Gliedmaßen fehlen – oder die Fantasiekörper zeigen, die an Gestalten aus verstörenden Märchen erinnern. Bourgeois’ Textilfiguren, die größtenteils weibliche Körper darstellen, werden in Vitrinen, von der Decke hängend oder auf Sockeln gezeigt und rufen Zustände der Erniedrigung, Verlassenheit oder des Gefangenseins wach. Zudem werden zahlreiche Textilköpfe zu sehen sein, welche die gesamte Bandbreite an Ausdrucksformen offenbaren, die Bourgeois in diesen unheimlichen und eindrucksvollen Porträts entwickelt hat. Darüber hinaus wird eine Auswahl von Bourgeois’ „Progressions“ ausgestellt: schmale Türme aufeinandergestapelter Textilziegel oder -rauten, die in auf- oder absteigenden Sequenzen angeordnet sind. Mit diesen Werken wandte sie sich erneut den vertikalen skulpturalen Formen zu, die ihre frühen Arbeiten in den 1940er und 1950er Jahren bestimmten und die hier in weichen Materialien wiederkehren.

Im Verlauf ihres Schaffens griff Bourgeois immer wieder auf Motive früherer Arbeiten zurück und formulierte sie auf neue Art aus. Wie die Ausstellung zeigt, erreichte diese Praxis ihren Höhepunkt in ihren letzten fünf Lebensjahren.

„Im Verlauf ihres sieben Jahrzehnte umfassenden künstlerischen Schaffens hat Bourgeois immer wieder Elemente ihrer eigenen Biografie – und ihrer körperlichen und psychologischen Erfahrungen – in ihre Kunstwerke eingewoben. Diese biografischen Fäden sind vielleicht nirgends so offensichtlich wie in ihren späten textilen Arbeiten, die sich mit der Beziehung zu ihrer Mutter, ihrer Erfahrung mit Verletzlichkeit, dem Altern und ihrer Haltung zu und der Vertrautheit mit verschiedenen Materialien, Prozessen, Instrumenten und Techniken auseinandersetzen. Daraus ist ein feines und komplexes Netz entstanden, das uns noch heute überrascht.“

Julienne Lorz, Co-Kuratorin von The Woven Child

Neben Skulpturen beleuchtet die Ausstellung auch eine große Auswahl von Bourgeois’ lebhaften textilen Zeichnungen, Büchern, Drucken und Collagen. Die Retrospektive erweitert den Blick auf das Werk der Künstlerin, indem Bourgeois’ textile Arbeiten mit den Prozessen der Materialauswahl, ihrer Biografie und den Themen Körper, Erinnerung, Weiblichkeit, Trauma und Reparatur in Verbindung gebracht werden.

The Woven Child passt in das Programm des Gropius Bau, das sich gezielt mit Fragen von Reparatur beschäftigt. Die vielschichtigen Funktionen des Hauses, unter anderem als frühere Kunstgewerbeschule, sowie die schweren Beschädigungen nach dem Zweiten Weltkrieg prägen die Geschichte des Hauses. Unter der Direktion von Stephanie Rosenthal wurden die Reparaturen und Narben des Hauses sichtbar gemacht und der Lichthof für die Öffentlichkeit geöffnet, um die Geschichte greifbar zu machen.


VIDEO | Louise Bourgeois (1911-2010) – Ein Portrait Teil 1/6

Über Louise Bourgeois

Die international renommierte Künstlerin Louise Bourgeois wurde 1911 in Paris geboren. Obwohl sie von 1938 bis zu ihrem Tod im Jahr 2010 in New York lebte, ist ein Großteil ihrer Arbeiten von ihrer frühen Kindheit in Frankreich inspiriert. Bourgeois nutzte den Körper als Grundform und erforschte auf dieser Basis die gesamte Vielfalt des menschlichen Daseins. Sie entwickelte ein breites künstlerisches Spektrum von poetischen Zeichnungen bis zu raumgreifenden Installationen, um ihren Ängsten eine physische Form zu geben und sie so zu überwinden. Erinnerungen, Sexualität, Liebe und Verlassenwerden sind Kernthemen ihres vielschichtigen Oeuvres.

Bourgeois’ Arbeiten finden sich in vielen Sammlungen weltweit. 2007 und 2008 waren sie Teil einer großen Wanderausstellung, die von der Tate Modern in London und dem Centre Pompidou organisiert wurde. Jüngst waren Einzelausstellungen von Bourgeois’ Arbeiten am Jüdischen Museum in New York, der Hayward Gallery in London und dem Kunstmuseum Basel zu sehen.


VIDEO | Louise Bourgeois The Woven Child THE WOVEN CHILD im Martin Gropius Bau (Kunstleben Berlin, 2022)

PRESSESCHAU

Sie wird sie nicht los, die Mutter

Beate Scheder für die TAZ | Artikel lesen

Beklemmende Kammerspiele

„Überhaupt sind es die großen Installationen, Bourgeois’ „Cells“, weswegen man die Schau nicht verpassen sollte, theatral arrangierte Kompositionen von nicht nur textilen Objekten in käfigartigen Konstruktionen. Verstörende Schmerzensbilder sind das, alptraumhaft, verwirrend, hochemotional, spannungsreich, dicht inszenierte Mikrokosmen voller Anspielungen nicht nur auf ihre Lebensgeschichte, sondern auf die Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen an sich, auf die Liebe und deren Verlust, auf Sexualität, Lust, Vertrauen und Betrug, körperliche Nähe und Verletzlichkeit.“


Die Sehnsucht nach der großen Beschützerin

Alia Lübben für das MONOPOL Kunstmagazin | Artikel lesen

„Bourgeois näht in ihren Werken unverheilte Wunden zusammen und schneidet sie wieder auf, der Reparaturprozess ist zentral in ihrer Kunst. Heilung ist Teil des Lebens, Sichtbarmachung von Schmerz ebenso. Verletzte Körper suggerieren Zerrissenheit, Gliedmaßen hängen und liegen einzeln oder zusammengesetzt im Raum. Einige der Stofffiguren laufen auf Krücken, tragen Prothesen, ein Paar aus bandagierten Köpfen ertastet sich gegenseitig mit den Zungenspitzen. Die groben Nähte zeigen wie Narben die Wunden der Geschundenen, machen aber auch ihren Heilungsprozess sichtbar.“


Martin-Gropius-Bau

www.berlinerfestspiele.de

Louise Bourgeois.
The Woven Child

Ausstellung bis bis 23. Oktober 2022

Bitte beachten Sie die Informationen zum Schutz- und Hygienekonzept des Museums, zur Eindämmung der Corona-Epidemie.

Öffnungszeiten
Mittwoch bis Montag 10:00 – 19:00
Dienstag geschlossen


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