Paul Gauguin, No te aha oe riri (Why Are You Angry?), 1896, Ausschnitt, Public Domain via wikipedia | Creative-Commons-Lizenz „CC0 1.0 Verzicht auf das Copyright“
Die Kunstschau der Alten Nationalgalerie betrachtet die Werke Gauguins, die auch von westlichen, kolonialen Vorstellungen von ‚Exotik‘ und ‚Erotik‘ geprägt sind, vor dem Hintergrund aktueller Diskurse und konfrontiert seine Werke mit Positionen zeitgenössischer Künstlerinnen.
Paul Gauguin (Paris 1848 – 1903 Atuona/Hiva Oa) gehört zu den einflussreichsten Wegbereitern der künstlerischen Moderne, dessen bekannteste Gemälde in den Jahren zwischen 1891 und 1901 auf der Südseeinsel Tahiti entstanden.
Gauguin verließ 1891 die Kunstmetropole Paris, seine Frau und fünf Kinder, um sich auf eine spirituelle und künstlerische Suche nach Französisch-Polynesien zu begeben. Hier lebte er mit einer Unterbrechung bis zu seinem Tod 1903. In dieser Phase entsteht unter anderem eines der Hauptwerke Gauguins aus der Sammlung der Nationalgalerie, das Gemälde „Tahitianische Fischerinnen“ von 1891.
»Ich versuchte zu arbeiten, machte allerlei Notizen und Skizzen. Aber die Landschaft mit ihren starken reinen Farben blendete mich, machte mich blind. Ich war immer unentschieden, suchte und suchte … Und dabei war es so einfach zu malen, wie ich es sah, ohne viel Überlegung ein Rot neben ein Blau zu setzen! Vergoldete Gestalten in Bächen und am Strande entzückten mich, warum zögerte ich, diesen Sonnenjubel auf meine Leinwand zu bannen?«
Paul Gauguin 1893, in: Noa Noa, Berlin 1908, S. 20
Paul Gauguin - Tahitianische Fischerinnen, Öl auf Leinwand,
Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Foto: Jörg P. Anders (CC BY-NC-SA)
„Paul Gauguin hatte auf der Suche nach einem Leben mit der Natur, nach ausdrucksstarken, archaischen Motiven ab 1886 häufig in der Bretagne gemalt. Dort waren Bilder entstanden, die reinfarbiger, auch dekorativer waren, als der Impressionismus sie kannte. Mit Émile Bernard, Paul Sérusier und anderen entwickelte er hier den synthetischen Symbolismus. 1891 führte ihn die Sehnsucht nach einem irdischen Paradies und die Hoffnung auf eine Erneuerung der westlichen Kunst durch die ›Primitiven‹ nach Tahiti. Modellierung und Perspektive verflächigten und vereinfachten sich, die Bildgegenstände wurden nun meist von kräftigen Linien umrissen.
Gauguin fand dort jedoch kein Paradies, und er hatte auch mit den Bildern aus der Südsee wenig Erfolg; sein Einfluß auf die jüngeren Künstler aber war erheblich.
Das Gemälde »Tahitianische Fischerinnen« beruht wie die zitierte Stelle aus Noa Noa auf Erlebtem wie auf einer poetischen Fiktion; es ist in der Komposition europäischen Vorbildern verwandt. Die vordere Frau steht mit den Füßen im Wasser, die beiden anderen sitzen wie sinnend am Boden, zusammen befinden sie sich in einem offenen Halbkreis zum Betrachter hin. Sie alle umfängt ein reich moduliertes, warmes, rötliches Licht.“ [ Angelika Wesenberg ]
Ich bin ein Wilder
Vor dem Hintergrund historischer Vorbilder und postkolonialer Debatten stellt die Ausstellung den von Gauguin selbst erschaffenen Mythos des „wilden Künstlers“ zur Diskussion.
VIDEO | Gauguin – Ich bin ein Wilder | Trailer Doku F 2016 von Marie-Christine Courtès | ARTE Edition kaufen bei amazon
Gauguin griff seinerseits bereits auf einen kolonialen Traum vom irdischen Paradies zurück, der ihm zugleich den Aufbruch zu einer völlig neuartigen Kunst ermöglichte.
Gauguin träumte vom Leben eines „Wilden“ in der reinen, üppigen und schönen Welt der indigenen Völker, deren ursprünglicher Lebensstil ihm von modernen Verirrungen und christlichen Tabus unberührt erschien. Doch bei seiner Ankunft am anderen Ende der Welt musste er feststellen, dass die ersehnte Ursprünglichkeit auch hier längst verloren war. Also erfand er sie kurzerhand neu.
Die Dokumentation zeigt die schmerzhafte Diskrepanz zwischen einer enttäuschenden Realität und dem geradezu existenziellen Drang, anhand der Kunst eine ideale Welt zu schaffen. Sie öffnet mit einem Vorgriff auf Gauguins Todesnacht vom 7. auf den 8. Mai 1903 und schildert dann Leben und Laufbahn des Malers anhand von Archivmaterial und einer Vielzahl seiner Gemälde. Animierte Sequenzen veranschaulichen die Obsessionen des Künstlers, seine Fantasien und ästhetischen Inspirationen und stellen sie in Zusammenhang mit seinen Werken.
NOA NOA
»Noa Noa, das bedeutet auf Tahitisch duftend; es wird sein: Was Tahiti verströmt.«
»Ich habe ein nacktes junges Mädchen gemalt. In dieser Stellung bräuchte es nur eine Kleinigkeit und sie wäre schamlos.«
Paul Gauguin 1893, in: Noa Noa, Berlin 1908
Für diese Neuausgabe wurde die berühmte erste deutsche Übersetzung von »Noa Noa« um erstmals übersetzte zentrale Stellen aus Paul Gauguins Aufzeichnungen, Briefen und Interviews ergänzt, in denen er sich zur Südsee und seiner Kunst äußert. Ausführliche Anmerkungen und ein Nachwort erschließen die Geschichte und den künstlerischen Zusammenhang dieser Auswahl.
Paul Gauguin schrieb seine biographisch gefärbte Künstlererzählung »Noa Noa«, um dem Pariser Publikum die geheimnisvolle Welt Tahitis nahezu bringen und zugleich als Schlüssel für das Verständnis seiner Malerei. Sein kühner Entwurf vom natürlichen Leben und der freien Liebe wurde – überarbeitet und ergänzt vom symbolistischen Dichter Charles Morice – in Frankreich und danach in Deutschland zu einem riesigen Erfolg, vor allem unter den jungen Expressionisten.
Die Übersetzung von »Noa Noa« stammt von Luise Wolf, die aus »Vorher und Nachher« von Erik-Ernst Schwabach. Alle übrigen Texte wie Briefe und Aufsätze wurden von Doris Heinemann für die vorliegende Ausgabe neu übersetzt.
Es sprach der Mond zur Erde. Noa Noa – Erzählungen und Briefe aus der Südsee
Klappenbroschur mit Fadenheftung Taschenbuch 256 Seiten mit zahlreichen farbigen Abbildungen Herausgeber: Ripperger & Kremers Verlag Sprache: Deutsch 12.6 x 2.5 x 20.5 cm
„Vor allem aber haben wir es hier mit dem bisher umfangreichsten Bildteil zu tun, der einer „Noa Noa“-Ausgabe beigegeben wurde: Gemälde, Holzschnitte aus der Suite „Noa Noa“, Manuskriptseiten mit Zeichnungen und Bildskizzen, Umschlagsillustrationen, auch Fotografien und geografisches Kartenmaterial – meist im Kleinformat, aber durchaus gut erkennbar. Was immer Gauguin in „Noa Noa“ entliehen, zitiert oder erfunden hat – er hat Tahiti und dem vielgerühmten Paradies erst ein Gesicht gegeben. Und dieses collagierte Künstlerbuch, in dem Text und Bild ineinander übergehen und sich ergänzen, ist zu einem „Klassiker“ der Moderne geworden.“ (Klaus Hammer für LITERATURKRITIK)
„Paul Gauguin – Why are you angry?“ in der Alten Nationalgalerie beschäftigt sich mit dem Kolonialismus und mit dem Bohemien in seiner Zeit.
„Die Kolonialismus-Debatte ist in den Kunstmuseen angekommen. Gerade eine Woche ist es her, dass die Doppelausstellung im Berliner Brücke-Museum und im benachbarten Kunsthaus Dahlem die Türen schloss, da öffnet in der Alten Nationalgalerie mit „Paul Gauguin – Why are you angry?“ die nächste Schau, die sich der Verwobenheit von Impressionismus, Expressionismus und Kolonialismus stellen will.“
„Paul Gauguin – Why are you angry?“ ist eine Sonderausstellung der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, in Kooperation mit und nach dem Konzept der Ny Carlsberg Glyptotek, Kopenhagen.
Die Kunstschau nähert sich Gauguin aus verschiedenen Perspektiven und eröffnet aktuelle Blicke auch durch Werke zeitgenössischer Künstler*innen wie Angela Tiatia (Neuseeland/Australien), Yuki Kihara (Samoa/Japan) oder Nashashibi/Skaer (Großbritannien) und den tahitianischen Aktivisten und Künstler Henri Hiro (Französisch-Polynesien).
Ausstellung bis 10. Juli 2022
Pressetext: Alte Nationalgalerie, Berlin | gauguininberlin.de Kuratiert von Anna Kærsgaard Gregersen, Ny Carlsberg Glyptotek, mit Ralph Gleis, Alte Nationalgalerie.
Bitte beachten Sie die Informationen zum Schutz- und Hygienekonzept des Museums, zur Eindämmung der Corona-Epidemie
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