Lynn Hershman Leeson gilt als eine der ersten und einflussreichsten MedienkünstlerInnen im Kontext des feministischen Diskurses und eine Pionierin im Bereich interaktiver computer- und internetbasierter Medienkunst. Innerhalb der vergangenen vier Jahrzehnte hat Lynn Hershman Leeson immer wieder neu aufkommende, digitale Technologien in ihre Arbeiten einbezogen.
In enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin realisierte das ZKM | Karlsruhe die erste, umfassende Retrospektive ihres bisherigen Schaffens. Die Ausstellung, die von Peter Weibel und Andreas Beitin kuratiert wurde, wandert von Karlsruhe nach Hamburg, wo sie als Special Show im Rahmen der Triennale der Photographie Hamburg zu sehen ist.
Der Überblick über die verschiedenen Schaffensphasen der innovativen Künstlerin gewährt erstmals nicht nur einen Blick auf ihre frühen Werke, die bislang noch nie ausgestellt wurden, sondern präsentiert auch die neuesten Produktionen.
VIDEO | ZKM, Institut für Bildmedien, 2015
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ZKM Museum für Neue Kunst, Karlsruhe | bis 06. April 2015
Sammlung Falckenberg, Hamburg-Harburg | bis 17. Januar 2016
Lynn Hershman Leeson (*1941 in Cleveland, Ohio, USA), die sich zunächst der Performance- und Konzeptkunst zuwandte, begann ihre Karriere in den späten 1960er-Jahren. Ihre innovativen Arbeiten behandeln Themen, die mittlerweile als Schlüssel zu gesellschaftlichen Fragestellungen zu verstehen sind: Die Beziehungen zwischen Mensch und Maschine, die Konstruktion von Identität, Überwachung, die Beziehung des Realen zum Virtuellen sowie die Nutzung der Medien als Werkzeug gegen Zensur und politische Unterdrückung. Außerdem ist sie eine starke Stimme innerhalb der feministischen Bewegung.
VIDEO | Lynn Hershman Leeson: Selected Works
Die meisten ihrer Arbeiten beschäftigen sich mit der Konstruktion von Identität und deren Verletzung durch andere Menschen oder technische Systeme. Sie weisen auf die Diskrepanz zwischen sensibler Innenwelt und gesellschaftlicher Rolle einer Person hin und kritisieren die Prägung durch verzerrende Klischees in den visuellen Massenmedien.
Ihre bekannteste Werkreihe »Roberta Breitmore« (1973—1978) wird bestimmt von der gleichnamigen Kunstfigur. Als eine Art Klon der Künstlerin wird deren Leben von 1973 bis 1978 in Echtzeit und in der realen Außenwelt inszeniert — Roberta Breitmore wird überwiegend von Hershman Leeson selbst verkörpert, aber auch teilweise simultan von drei anderen Frauen. Kunst und Wirklichkeit werden in dieser Figur ununterscheidbar miteinander verbunden.
„Roberta hatte ihre eigene Handschrift, Kleidung, Gesten und Stimmungen. Sie besuchte Galerien und verabredete sich mit Männern, die auf ihre Anzeigen in der lokalen Zeitung reagierten. Ihre Taten wurden durch Privatdetektive dokumentiert, die die Künstlerin engagiert hatte, und die Existenz Robertas in der realen Welt wurde durch Bibliotheksausweise, Führerschein, Zahnarztbesuche und einen Arbeitsvertrag belegt. Roberta reflektierte die Werte ihrer Kultur und partizipierte an Trends wie den Weight Watchers, während sie gleichzeitig einen scharfsinnigen Blick auf die Frauen in ihrer Umgebung warf und die Auswirkungen von sexueller Subjektivität erforschte.“
( Kelli Dipple )
Mit Roberta Breitmore hat Hershman Leeson der Idee einer künstlerisch konstruierten Identität eine Form gegeben und damit die virtuellen Welten von »Second Life« um viele Jahre vorweggenommen.
Hershman Leeson - Roberta Breitmore
Das Themenspektrum, das Hershman Leeson durch ihre Kunstfigur Roberta Breitmore behandelt — es kreist um Identität und Sexualität, um das Verhältnis der Betrachterin zu ihrem individuellen Gegenüber, Interaktivität und Performativität — wurde von der Medienkünstlerin auch in vielen weiteren Werken aus anderen Perspektiven aufgegriffen und weiterentwickelt.
Hershman Leeson ist verantwortlich für eine Reihe technologischer Innovationen, wie z. B. das erste interaktive Kunstwerk auf Videodisk mit dem Titel Lorna (1979—1983) und mit Deep Contact: The Sexual Fantasy Videodisk (1984—86) das erste Kunstwerk, das Sensorbildschirme verwendete.
Seit 1995 hat Hershman Leeson Werke mit Telerobotik erschaffen und mit Arbeiten experimentiert, die sowohl Elemente eines realen Orts als auch des Internets verwendeten; The Difference Engine #3 wurde 1998 im Media Museum des Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) gezeigt und Time and Time Again wurde 1999 im Wilhelm-Lehmbruck Museum in Duisburg präsentiert im Rahmen einer Ausstellung mit dem Titel Connected Cities: Processes of Art in the Urban Network.
KATALOG | Lynn Hershman Leeson. Civic Radar
Die erste umfassende Monografie zum Œuvre, in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin entstanden.
Hrsg. Peter Weibel, ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe, Texte von Andreas Beitin, Pamela Lee, Peggy Phelan, Ruby Rich, Jeffrey Schnapp, Kyle Stephan, Kristine Stiles, Tilda Swinton, Peter Weibel, Interview von Hou Hanru mit der Künstlerin, Laura Poitras mit der Künstlerin.
Gebundene Ausgabe 352 Seiten ca. 430 Abbildungen Hatje Cantz Verlag; Auflage: 1 (1. Januar 2016) Sprache: Englisch 21,00 x 26,50 cm
Conceiving Ada
aus dem Jahr 1997 erzählt die Geschichte von Ada Byron King, Gräfin von Lovelace. Ada Lovelace, die Tochter des britischen Dichters Lord Byron, wird heute von vielen Computerfreunden als die Erfinderin der Software betrachtet. Es war ihr erster Film, der nicht nur die Erfindung virtueller Sets mit Hilfe der Blue-Screen Technologie und Computergrafik beinhaltet sondern auch die Kreation von The Difference Engine #3, ein interaktives internetbasiertes Kunstwerk über Identität, das die Goldene Nica der Ars Electronica gewonnen hat und nun Teil der ständigen Sammlung des ZKMs ist.
“Auch bekannt als die ‚Mutter aller Programmierer‘, schrieb Ada Byron King, Gräfin von Lovelace, die erste Computersprache und sagte deren Verwendung in Musik, Dichtung und Bildender Kunst voraus. Als eigenwillige Denkerin in der viktorianischen Zeit geboren, zwangen Adas Leidenschaften und Perversionen sie dazu, ein Doppelleben zu führen. Dessen eingedenk, ist Conceiving Ada analog einer doppelten DNS-Spirale strukturiert. Jede einzelne Szene ist unter Verwendung eines DNS-Bildes als Modell strukturiert und gedreht. Ich fand es sehr wichtig, die Technik zu verwenden, deren Pionierin Ada war, weil sie eine neue Dimension geschaffen hat, in der ihre Geschichte erzählt werden konnte. Die Verwendung von ‚virtual sets‘ und Digitalsound verbindet sich zu einem Umfeld, von dem sie sich emanzipiert, um sich frei durch die Zeit zu bewegen und endlich sichtbar zu werden.“
[ Lynn Hershman Leeson ]
DVD | Lynn Hershman Leeson. Conceiving Ada
USA/D/F 1997 mit Tilda Swinton, Timothy Leary, Karen Black, Francesca Faridany, John Perry Barlow, Musik: The Residents
Sprache: English Bildseitenformat: 4:3 – 1.33:1 Anzahl Disks: 1 Spieldauer: 85 Min.
Emmy Coer ist spezialisiert auf die Erforschung künstlichen Lebens und besessen von Ada Byron King, der brillanten, obsessiven Tochter des Dichters Lord Byron. Bekannt als ‚Zauberin der Zahlen‘, sagte Ada nicht nur die Möglichkeiten von künstlichem Leben voraus, sondern auch die digitale Revolution, die sich 144 Jahre nach ihrem Tod ereignen würde. Als Emmy an ihrem heimischen Computer-Bildschirm Zeugin von Adas Passionen, Kämpfen und ihrem skandalösen Verhalten wird, entwickelt sie den unbezähmbaren Wunsch nach unmittelbarem Kontakt mit ihr. In einem Experiment läßt Emmy einen DNS-Code zur Wiedererlangung des Erinnerungsvermögens auf ihren Körper einwirken, obwohl seine möglichen Nebenwirkungen noch nicht untersucht worden sind…
In ihren jüngsten Arbeiten bezieht Hershman Leeson nicht nur Roboter und Massenkommunikationsmittel wie Smartphones mit ein. Sie rückt beispielsweise mit der erstmals präsentierten Installation »Infinity Engine« (2014) auch neueste wissenschaftliche Entwicklungen auf dem Gebiet der Genetik und der regenerativen Medizin in den Fokus — einschließlich 3-D-Biodrucker, die Teile des menschlichen Körpers nachbauen können.
Lynn Hershman Leeson
wurde 1941 in Cleveland, Ohio, geboren. 1963 schloss sie ein Studium an der Case Western Reserve University, Cleveland, ab, 1972 ein weiteres an der San Francisco State University. Sie lebt in San Francisco und ist Professorin für Elektronische Kunst an der University of California. In den späten siebziger Jahren war sie eine der ersten, die interaktive Medien als Werkzeug ihrer künstlerischen Arbeit verwendete.
Insgesamt hat sie 52 Filme und Videos gedreht. Außerdem ist sie Autorin von ‘Clicking In’ und ‘Hotlinks to a Digital Culture’. Ihre Werke waren in mehr als zweihundert Ausstellungen in Museen und Galerien auf der ganzen Welt zu sehen und gehören inzwischen zum Bestand von Sammlungen wie denen des Museum of Modern Art, New York, des Seattle Art Museum, der D.G. Bank, Frankfurt, der Hess Collection und des Walker Art Center. Retrospektiven von Lynn Hershman Leeson wurden in der National Gallery of Canada und dem Museum für zeitgenössische Kunst in Warschau gezeigt.
Mit Lynn Hershman Leeson. Seducing Time“ zeigte die Kunsthalle Bremen 2010, im Rahmen der Preisverleihung des DAM DIGITAL ART AWARD an Hershman Leeson, die erste institutionelle Ausstellung der Künstlerin in Deutschland.
The Art and Films of Lynn Hershman Leeson
Lynn Hershman Leesons bahnbrechende Arbeiten in den Bereichen Installation, Performance, Fotografie, Video, Digitaltechnik und Film haben ihr einen internationalen Ruf als erstaunliche und innovative Künstlerin eingebracht. Diese erste historische und kritische Analyse ihres Werks durch prominente Wissenschaftler und die Künstlerin selbst rückt fast vierzig Jahre kreativen Schaffens in den Blickpunkt, indem sie die Entwicklung ihrer konstanten Themen durch jedes Medium verfolgt.
Die provokanten Essays in diesem Band, die von formalen über theoretische bis hin zu psychologischen und poetischen Analysen reichen, begründen ihren Platz an der Spitze der zeitgenössischen Kunst. Hershman Leesons Werk erforscht Vision, Zuschauerschaft und die Konstruktion geschlechtsspezifischer Subjektivität und berührt zentrale feministische Anliegen, die sich auf die gelebte Erfahrung des physischen Körpers und den Körper als Medium beziehen, dem soziale Gesetze und Werte eingeschrieben sind. Ihre Projekte der Selbstanalyse und Selbstmythisierung sprengen stabile Vorstellungen von Identität.
„The Art and Films of Lynn Hershman Leeson“ zeigt, wie Hershman Leesons Werk auf einzigartige Weise die fragmentierte menschliche Subjektivität zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts widerspiegelt. Besonders nützlich sind die aktualisierte Chronologie der Künstlerin und eine DVD mit Auszügen aus mehreren ihrer Werke.
BUCH + DVD | The Art and Films of Lynn Hershman Leeson. Secret Agents, Private I
Gebundene Ausgabe 229 Seiten Verlag: University of California Press; Sprache: English 18,8 x 2,3 x 22,3 cm
Das Buch enthält 17 Farbtafeln, eine gute Anzahl von Figuren und eine schön gestaltete DVD, die eine Präsentation der Kunstwerke (sowohl Standbilder als auch Clips), weitere Essays über Hershmans Werk und ausgewählte Geschichten enthält: Videos, Filme, Ausstellungen und Auszeichnungen. Zwar überschneidet sich ein Großteil des Materials, aber die DVD wird Sie auch auf Hershmans Website und beeindruckende webbasierte Projekte wie Agent Ruby hinweisen.
Sammlung Falckenberg
LYNN HERSHMAN LEESON Retrospektive
bis 17. Januar 2016
ÖFFNUNGSZEITEN
Ein Besuch der Ausstellung ist nur im Rahmen von Führungen möglich.
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