GESCHLECHTERKAMPF – Franz von Stuck bis Frida Kahlo

Städel Museum, Frankfurt | bis 19. März 2017
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FRIDA KAHLO (1907–1954) Der kleine Hirsch, 1946
Öl auf Hartfaser, 22,5 x 30,2 cm, Privatbesitz © Banco de Mexicó, 
Diego Rivera Frida Kahlo Museums Trust / VG Bild-Kunst, Bonn 2016

Die Ausstellung behandelt die künstlerische Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Anhand einer Auswahl von etwa 140 Werken der Malerei, Skulptur, Grafik, Fotografie sowie Filmen macht es sich das groß angelegte Ausstellungsprojekt zur Aufgabe, besonders prägnante künstlerische Positionen zu bestimmen und in einen Dialog zu stellen.


„Es gibt keine Befreiung der Menschheit, ohne die soziale Unabhängigkeit und Gleichstellung der Geschlechter.“
AUGUST BEBEL, 1883

Die traditionelle Definition von männlich und weiblich als aktiv/passiv, rational/emotional, Kultur/Natur war in der Kunst der Moderne ein intensiv behandeltes Thema: Viele Künstler führten ihrem Publikum überzogene Charaktereigenschaften vor Augen und untermauerten in ihren Werken stereotype Rollenbilder. Andere griffen gängige Rollenklischees an und versuchten, diese durch Strategien wie Ironie, Überzeichnung, Maskerade und Hybridisierung aufzubrechen.

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Die Ausstellung baut auf dem Sammlungsbestand des Städel Museums auf, der mit Gemälden von Max Liebermann, Edvard Munch und Franz von Stuck, Skulpturen von Auguste Rodin sowie Fotografien von Frank Eugene oder Man Ray wichtige Arbeiten zu der Thematik umfasst. Anhand von wichtigen Leihgaben werden bekannten Namen der Kunstgeschichte, wie Gustave Moreau, Édouard Manet, Gustav Klimt, Otto Dix, Meret Oppenheim oder Frida Kahlo, gezielt Entdeckungen zur Seite gestellt, die den Kanon um aussagekräftige Positionen erweitern, darunter Künstlerinnen und Künstler wie Leonor Fini, Jeanne Mammen, Rudolf Jettmar oder Gustav Adolf Mossa.

Vor dem Hintergrund der intensiven Diskussion um Genderfragen und die sich stetig wandelnde Rolle von Frau und Mann bietet das Projekt einen Einblick in die Komplexität der Problematik und beleuchtet die kunsthistorische Dimension eines hochrelevanten gesellschaftspolitischen Themas.

Städel Museum, Frankfurt | bis 19. März 2017

GESCHLECHTERKAMPF – Franz von Stuck bis Frida Kahlo

Pressetext: Städel Museum, Frankfurt | www.staedelmuseum.de
Kuratoren: Felicity Korn und Dr. Felix Krämer

TIPP: Das DIGITORIAL ansehen
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KATALOG | GESCHLECHTERKAMPF. 
Franz von Stuck bis Frida Kahlo

Gebundene Ausgabe, Pappband
336 Seiten
413 farbige Abbildungen
Prestel Verlag
23,0 x 30,0 cm
Sprache: Deutsch

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Anhand einer Auswahl von 140 Werken der Malerei, Skulptur, Grafik, Fotografie und des Films behandelt das Buch die künstlerische Auseinandersetzung mit den sich ständig wandelnden Geschlechterrollen vom 19. Jahrhundert bis zum Ende des 2. Weltkriegs. Viele Künstler definierten in ihren Werken männlich und weiblich als aktiv/passiv und rational/emotional, andere griffen diese traditionellen Rollenklischees an.

Aufbauend auf dem Sammlungsbestand des Städel und mit Werken von Künstlern wie Édouard Manet, Auguste Rodin, Gustav Klimt und Frida Kahlo setzt sich dieses Buch mit der Darstellung von Sexualität und Geschlecht in der Kunst auseinander.

Die begleitenden Essays diskutieren Schwerpunkte wie Adam und Eva, die Femme Fatale in der Kunst des 19. Jahrhunderts oder den Lustmord in den Arbeiten aus der Zeit der Weimarer Republik. Weitere Texte analysieren die künstlerische Beschäftigung mit dem Geschlechterkampf bei Franz von Stuck, Edvard Munch, Lee Miller und Jeanne Mammen. Hervorragende Reproduktionen der Bilder, eine umfangreiche Bibliografie sowie eine Chronologie runden das Buch ab.

Der Band bietet einen tiefen Einblick in die Komplexität des Sujets und beleuchtet die kunsthistorische Dimension dieses hochrelevanten aktuellen Themas.

Die Ausstellung zeigt, wie kontrovers Künstlerinnen und Künstler der Moderne auf die Konstruktion von Geschlechtermodellen reagierten und wie sie Stereotypen, Idealbilder und Identifikationsfiguren in Malerei, Skulptur, Grafik, Fotografie und Film behandelten: Manche führten dem Publikum in ihren Werken überzogene Charaktereigenschaften der Geschlechter vor Augen oder untermauerten stereotype Rollenbilder. Andere griffen gängige Klischees an und versuchten, diese durch Strategien wie Ironie, Überzeichnung, Maskerade und Hybridisierung aufzubrechen.

Die Geschlechterdifferenz – basierend auf einer traditionellen Assoziation von männlich und weiblich mit Begriffen wie aktiv/passiv, rational/emotional, Kultur/Natur, Staat/Familie – wurde im Verlauf des 19. Jahrhunderts immer stärker herausgearbeitet und hat nicht nur die ökonomischen, sozialen und politischen Strukturen, sondern auch die Kunst maßgeblich geprägt.

Die Ausstellung baut auf dem Sammlungsbestand des Städel Museums auf, der mit Gemälden von Max Liebermann, Edvard Munch und Franz von Stuck, Skulpturen von Auguste Rodin sowie Fotografien von Frank Eugene oder Claude Cahun wichtige Positionen in Bezug auf diese Thematik umfasst. Anhand von bedeutenden Leihgaben werden bekannten Namen der Kunstgeschichte wie Hannah Höch, Édouard Manet, Gustav Klimt, Otto Dix oder Frida Kahlo gezielt kunsthistorische Entdeckungen zur Seite gestellt, die den Kanon um aussagekräftige Positionen erweitern, darunter Arbeiten von Leonor Fini, John Collier oder Gustav Adolf Mossa. Vor dem Hintergrund der intensiv geführten Diskussionen um die Rollen von Frau und Mann bietet das Ausstellungsprojekt einen differenzierten Einblick in die Komplexität der Problematik und beleuchtet die kunsthistorische Dimension eines bis heute hochrelevanten gesellschaftspolitischen Themas.

In insgesamt zwölf Abschnitten zeigt die Ausstellung zentrale Aspekte der künstlerischen Beschäftigung mit der Beziehung zwischen den Geschlechtern in einer neuen motivischen Bandbreite auf. Von den mythologischen Darstellungen Gustave Moreaus bis hin zu den fantastischen Bildfindungen des Surrealismus stellt die Präsentation sich wandelnde männliche und weibliche Rollenbilder in der Kunst der Moderne in den Fokus und betrachtet deren Entwicklung vor dem Hintergrund umfassender historischer und sozialer Veränderungen: vom Beginn der Frauenbewegung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, über die Geschlechterdebatten und Sexualkontroversen der Weimarer Republik, bis hin zum Ende des Zweiten Weltkrieges.

Der chronologisch gespannte Bogen erstreckt sich über beide Etagen des Ausstellungshauses, wobei die thematische Präsentationsfolge von insgesamt fünf monografischen Ausstellungskapiteln unterbrochen wird. Diese widmen sich Künstlerinnen und Künstlern, in deren Werk das Thema des Geschlechterkampfes einen herausragenden Stellenwert einnimmt: Franz von Stuck, Jeanne Mammen, Félicien Rops, Edvard Munch und Lee Miller.

Den historischen Ausgangspunkt der „Geschlechterkampf“-Ausstellung bildet die sich während des 19. Jahrhunderts über ganz Europa ausbreitende Forderung nach sozialer Gleichstellung von Mann und Frau, angeführt von der weiblichen Emanzipationsbewegung. Erstmals wurden weibliche und männliche Rollenbilder in der breiten Öffentlichkeit diskutiert – eine Debatte, die ab den 1860er-Jahren auch in den bildenden Künsten ihre Spuren hinterließ.

Der Ausstellungsparcours beginnt mit einem einführenden Abschnitt zu Adam und Eva, der biblischen Urgeschichte des Geschlechterkonflikts. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden vielfältige Darstellungen des ersten Menschenpaares, die bereits auf die künstlerische Bandbreite in der Beschäftigung mit dem Thema verweisen. Zu sehen sind prägnante Werke von Franz von Stuck, Julius Paulsen oder Suzanne Valadon, für deren Adam ihr zwanzig Jahre jüngerer Partner André Utter Modell gestanden hat.

Parallel zum gesellschaftlichen Erstarken der Frau finden sich in der Kunst des Fin de Siècle Darstellungen, welche die Schuld der Ursünde und die Verführungskünste der Frau hervorheben. So gewann die künstlerische Beschäftigung mit der destruktiven, ins Verderben führenden Weiblichkeit zunehmend an Bedeutung, wobei die den Mann erniedrigende Femme fatale (franz.: Unheil bringende Frau) als zentrale Projektionsfläche sowohl für männliche Ängste als auch für sexuelle Begierden diente. Viele in erster Linie männliche Künstler sahen in der nach Gleichberechtigung strebenden Frau eine essenzielle Bedrohung. In ihren Werken stilisierten sie das weibliche Geschlecht zur Figur des Bösen, das seine sexuellen Reize gezielt zur Entmachtung des Mannes einsetzt. Starke biblische Charaktere wie Salome, Judith und Delila erreichten gegen Ende des 19. Jahrhunderts Kultstatus und wurden von zahlreichen Künstlerinnen und Künstlern verarbeitet, darunter Gustave Moreau, Jean Benner, Lovis Corinth oder Aubrey Beardsley.

Das aufkommende Fach der Sexualforschung revolutionierte zur Jahrhundertwende die bürgerliche Auffassung von klar getrennten Geschlechterrollen und stellte Aspekte wie sexuelle Instinkte und Vorlieben zur öffentlichen – jedoch fast ausschließlich von Männern geführten – Diskussion. Künstler wie Alfred Kubin, Thomas Theodor Heine oder Félicien Rops griffen nicht länger auf mythologische und biblische Figuren zurück, sondern visualisierten stereotype Eigenschaften der Geschlechter in exaltierten Bildideen. Zu dieser Zeit finden sich zudem vermehrt Darstellungen, in denen die Frau als hilfloses Opfer erscheint, das dem Mann, der seine sexuelle und gesellschaftliche Macht über sie ausübt, vollkommen ausgeliefert ist. Ein in der Ausstellung vertretenes eingängiges Beispiel ist Emmanuel Frémiets Skulptur Gorilla, eine Frau raubend (1887), die als Inspiration für Merian C. Coopers knapp fünfzig Jahre später entstandenen berühmten Film King Kong und die weiße Frau (1936) diente.

Eine ganz andere Perspektive bildet das hier erstmals ausgestellte Frühwerk Jeanne Mammens, dem ein monografisches Ausstellungskapitel gewidmet ist. Die Künstlerin befasste sich intensiv mit der fantastischen Gedanken- und Traumwelt des literarischen Symbolismus. Dabei schuf sie eine Werkserie zu Gustave Flauberts Die Versuchung des heiligen Antonius (1874) sowie mehrere Darstellungen starker Frauenfiguren, darunter Medusa und Salome.

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EDVARD MUNCH (1863–1944) Asche, 1925, Öl auf Leinwand, 139,5 x 200 cm
Munch Museum, Oslo, Foto: Munch Museum

Ein weiterer Künstler, in dessen Œuvre die Thematik des Geschlechterkampfs einen besonderen Stellenwert einnimmt und dem hier ein Kapitel gewidmet wird, ist Edvard Munch. Der Norweger thematisierte in seinen Bildern die Ambivalenz in der Beziehung zwischen den Geschlechtern und verband Erotik und Liebe häufig mit Schmerz und Tod. Dabei bringt er den Betrachter oftmals in die Position des männlichen Voyeurs und Liebhabers, welcher der körperlichen Anziehungskraft der Frau zum Opfer fällt.

Im freiheitlichen Klima der Weimarer Republik eröffneten Amüsierbetriebe, Nacktbars und Transvestitenlokale, in denen Großstadtbewohner versuchten, die Schrecken des Ersten Weltkrieges mit sinnlichem Vergnügen zu verdrängen. Damit einhergehend konzentrierte sich das künstlerische Interesse auf Sujets wie Lustmord, sexuelle Gewalt und Prostitution. Männliche Vertreter der Neuen Sachlichkeit wie Otto Dix, Heinrich Maria Davringhausen und Karl Hubbuch zeigten auf grausamste Weise zerstörte weibliche Körper als Fetischobjekte. Mit dieser neuen Drastik verlagerten die Künstler ihren Fokus auf die Wiedergabe menschlicher Abgründe sowie des sozial Randständigen, was als Hinweis auf die Verrohung des sozialen Klimas und als Metapher für das krankende politische System verstanden wurde. Das Interesse an Sexualverbrechen war genreübergreifend. Frank Wedekinds Drama Lulu. Erdgeist / Die Büchse der Pandora diente etwa Georg Wilhelm Pabst als Vorlage für seinen Film Die Büchse der Pandora (1928/29). In beiden Versionen fällt Lulu dem Mörder Jack the Ripper zum Opfer. Künstlerinnen und Künstler aus dem Umkreis der Berliner Dada-Bewegung wie Hannah Höch oder Hans Bellmer konfrontierten das Publikum mit skandalträchtigen Bildern von entstellten, mechanisierten oder monströsen Figuren, dies jedoch vor allem, um Kritik an der bürgerlichen Sexualmoral zu üben.

Neben derartigen radikalen Überzeichnungen fand das Thema der sogenannten „Neuen Frau“ Berücksichtigung. Im Kontext des gesellschaftlichen Umbruchs nach dem Ersten Weltkrieg sahen sich die Frauen, die an der „Heimatfront“ an sozialer und beruflicher Selbstständigkeit und an Selbstbewusstsein gewonnen hatten, und die von den Kriegserfahrungen traumatisierten Männer mit neuen Rollenerwartungen konfrontiert. Als die Frauenbewegung mit dem Wahlrecht für Frauen im Jahr 1919 ein wichtiges Ziel auf dem Weg zur Erlangung politischer, sozialer und ziviler Bürgerrechte erreicht hatte, beförderte dies die weitere Herausbildung eines selbstsicheren und aktiven Frauentyps. Bildnisse von Otto Dix, Elfriede Lohse-Wächtler, Jeanne Mammen oder Christian Schad spiegeln dieses neue gesellschaftliche Rollenverständnis wider.

Einen anders gelagerten Schwerpunkt setzten die Vertreter des Surrealismus um André Breton, Marcel Duchamp und Max Ernst, deren Kunst von einem libertären Verständnis von Sexualität und zugleich von einem Spiel mit bürgerlich geprägten geschlechtlichen Stereotypen bestimmt war. Angeregt von Sigmund Freuds psychoanalytischen Studien strebten viele Surrealisten die Überwindung der Grenzen zwischen den Geschlechtern an. Besonders interessierten sie sich für die Figur des Androgyns, eines mythologischen Zwitterwesens mit männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen. Der Androgyn symbolisierte für die Surrealisten sowohl die Überschreitung konventioneller Rollenbilder als auch die Synthese der beiden Geschlechter. Der surrealistische Einfluss spiegelte sich auch im Film wider. Künstler wie Maya Deren und Alexander Hamid, die den Pariser Surrealisten nahestanden, suchten nach geschlechtlicher Identität, wie in Meshes in the Afternoon von 1943.

Die Künstlerinnen im Kreis der Surrealisten waren vielfach darum bemüht, ihren männlichen Künstlerkollegen ein alternatives Frauenbild entgegenzusetzen. Einen filmischen Vorläufer gab es bereits 1906: Alice Guy hatte in ihrem Film Les Résultats du féminisme (Die Folgen des Feminismus) die Rollen von Mann und Frau auf komische Art vertauscht. Ebenso humorvoll spielte Meret Oppenheim später mit der weiblichen Rolle als passivem Lustobjekt, indem sie dem Betrachter ein Paar Stöckelschuhe wie einen Gänsebraten auf einem Tablett darbot, während Frida Kahlo mit ihrem Selbstbildnis als Der kleine Hirsch eine sehr persönliche und symbolgeladene Darstellung präsentierte.


Städel Museum

www.staedelmuseum.de

GESCHLECHTERKAMPF – Franz von Stuck bis Frida Kahlo

bis 19. März 2017

Öffnungszeiten:
Di, Mi, Sa, So + Feiertage 10.00–18.00 Uhr, Do + Fr 10.00–21.00 Uhr, montags geschlossen

Sonderöffnungszeiten:
Sa, 24.12., geschlossen; So, 25.12., 10.00–18.00 Uhr; Mo, 26.12., 10.00–18.00 Uhr; Sa, 31.12., geschlossen; So, 1.1.2017, 11.00–18.00 Uhr; Mo, 2.1.2017, 10.00–18.00 Uhr

Eintritt: 14 Euro tickets.staedelmuseum.de

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