DÉCADENCE Deutsche Malerei Bohème

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Lovis Corinth - Bacchantenpaar, 1908, Öl auf Leinwand, 111×101cm, Ausschnitt
Museum Georg Schäfer, Schweinfurt

Mit dieser Epochenschau bietet das Museum Georg Schäfer einen Einblick in den Zusammenhang des Freiheitsrufs „L’art pour L’art“ („Die Kunst um der Kunst willen“) zur Décadence-Bewegung, die ab 1860 von Paris ausging. Gemeinsam erfassten beide bald ganz Europa.


Ausgehend von den französischen Décadence-Literaten Théophile Gautier und Charles Baudelaire befreite sich auch in Deutschland eine neue Künstlergeneration aus dem Korsett des pädagogisch Wertvollen. Mit „Sex and Crime“ verweigerten sich Maler von Hans Markart und Anselm Feuerbach bis hin zu Max Klinger, Lovis Corinth und Egon Schiele der herrschenden Kunstkritik und postulierten die Autonomie der Kunst.

Gegliedert ist die Ausstellung in einzelne Kapitel wie z.B.: Deutsche Verfallsvorstellungen; Orgiastische Welten: Bacchanten, Satyrn und Nymphen; die Antike als Vorbild für die Darstellung des Verfalls; Germanische Sittlichkeit contra römische Dekadenz; Aktmodelle: Vom Atelier zur Sommersonne; Sünde und Salome; Theatervergnügen; Feinnervig – das Fin de Siècle.

Gezeigt werden 135 z.T. großformatige themenbezogene Gemälde und Zeichnungen von 64 Künstlerinnen und Künstlern, darunter befinden sich zahlreiche Leihgaben aus europäischen Sammlungen. Hinzu kommt Literatur der Bohème. Der Katalog ist als Lesebuch konzipiert und enthält anspruchsvolle Essays.

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Museum Georg Schäfer, Schweinfurt | bis 08. Januar 2017

Lockruf der DÉCADENCE

Deutsche Malerei und Bohème 1840-1920

Pressetext: Museum Georg Schäfer, Schweinfurt www.museumgeorgschaefer.de
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KATALOG | Lockruf der Décadence. 
Deutsche Malerei und Bohème 1840-1920

Gebundene Ausgabe
210 Seiten
141 Abb. in Farbe
Verlag: Hirmer
Sprache: Deutsch
24,5 x 2,2 x 28,7 cm

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Anhand von rund 100 hochkarätigen Gemälden und Papierarbeiten zeichnet der Band erstmals die Décadence-Bewegung in der deutschen Kunst der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach. Dem französischen Ruf „L’art pour l’art“ („Die Kunst um der Kunst willen“) folgend, bedienten sich die Décadence-Künstler der Skandalerzeugung mit dem Ziel der Etablierung einer von gesellschaftlichen Normen unabhängigen Kunstwelt.

Mit ausschweifenden Bacchanalen, lasziven Frauenbildern und anderen Darstellungen moralischen Verfalls revoltierten sie gegen das Diktat der Kunst als Mittlerin von Religion und Ethik und vollzogen so einen wesentlichen Schritt auf dem Weg der Malerei in die Moderne.


Literaturschaffende und bildende Künstler revoltierten gegen die Erwartungen des Staats, der Kirchen und des Bürgertums, in ihren Werken nur Schönes, Idealisiertes und Erbauliches darzustellen. Mit Charles Baudelaire („Die Blumen des Bösen“) und Théophile Gautier, beide zugleich Schriftsteller und Kunstkritiker, wurde stattdessen eine neue Ästhetik des scheinbar Hässlichen propagiert.

Zugleich wurde der vom Staat befürchtete und von der Geschichtswissenschaft für den Untergang Roms verantwortlich gemachte geistige wie moralische Verfall, die Dekadenz, als einzigartige Chance zu Neuem, zu Besserem, begriffen. Motivgeschichtlich konnten so aus den alten Antihelden, wie z.B. der grausamen Salome, die neuen Helden werden. Bacchantische Orgien wurden nun als Befreiung vom Diktat des Sittlichen gemalt und der christliche Kanon der Sünden und Laster diente nur noch als eine Art Anleitung zur Darstellung der Halb- und Nachtwelt des Großstadtlebens. Bohemiens und Dandys waren wichtige Typen für die neue Bewegung.

Diese „Umwertung aller Werte“ (Friedrich Nietzsche) in der Kunst begleitete die unvorhersehbar rasante Entwicklung der Metropolen Europas und schuf eine neue Ästhetik, die unter dem Begriff „Décadence“, aber auch – zeitlich später – als „Fin die Siècle“ bekannt ist. These dieser Ausstellung ist es, dass die Bewegung nicht erst um 1900 Deutschland erfasst hat, sondern dort bereits früher wogte. Ihre Revolution war geistiger, nicht formaler Natur. Ihre malerischen Mittel waren solche der Historienmalerei, des Symbolismus wie auch des Jugendstils. Anfangs mit morbider, fahler Farbigkeit arbeitend, änderten die deutschen Décadence-Maler ab 1880 das farbliche Erscheinungsbild.

Zahlreiche deutsche Künstler, von Hans Makart (1840-1884) bis Franz von Stuck (1863-1928), griffen die neuen Ideen und Motive auf und setzten sie – durchaus im Bewusstsein, damit Skandale zu verursachen – in ihren Bildwelten ein. Andere Künstler folgten dagegen nur dem Lockruf einer Décadence, die internationale Schockwellen in der Kunstwelt auslöste. Dies etwa, als Félicien Rops und Aubrey Beardsley das Makabre darzustellen begannen oder als akademische Aktmodelle auf männliche Phantasievorstellungen von Kurtisanen und Kokotten trafen. Um erotische Kunst im eigentlichen Sinn handelt es sich bei der Décadence-Bewegung jedoch nicht. Der Betrachter kann freilich zum Voyeur werden; die Bildtitel sind oft sinnverfälscht oder sinnentleert, um Zensur und Kritik zu umgehen.

In Deutschland unterblieb – beginnend mit Max Nordaus Büchern zur „Entartung“ (ab 1892) und der Verurteilung der Décadencekünstler als psychisch Erkrankte und Degenerierte – bis heute eine Diskussion dieser Kunstströmung.

Diese Ausstellung begreift sich deshalb als Einleitung in eine Welt der Kunst, welche dem deutschen Publikum lange Zeit vorenthalten blieb.

Vertreten sind u.a. die Künstler: Beardsley, Begas, Behrens, Böcklin, Corinth, Couture, Feuerbach, Glaize, Greiner, Gulbransson, Guys, v. Habermann, Hampel, Heine, v. Hofmann, Kaulbach, Keller, Klimt, Klinger, Koch, Makart, Müller, Nadorp, Piloty, Putz, Redon, v. Reznicek, Rops, Schadow, Schiele, Scholz, Slevogt, Stuck, Uhde und Weisgerber.

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Thomas Couture (1815-1879) - Die Dekadenz der Römer, 1847
Öl auf Leinwand, H. 472; B. 772 cm
© RMN-Grand Palais (Musée d'Orsay) / Hervé Lewandowski
Thomas Couture [Public domain], via Wikimedia Commons / Google Art Project

„Das Gemälde ist nicht nur Illustration eines alten Textes sondern auch eine Anspielung auf die derzeitige französische Gesellschaft. Als republikanischer, kirchenfeindlicher Jakobiner kritisiert er den moralischen Verfall der Julimonarchie Frankreichs, deren Machthaber aufgrund verschiedener Skandale in Misskredit geraten waren. Die Kunstkritiker sahen 1847 in den Römern dieser „realistischen Allegorie“ „die Dekadenz der Franzosen“.“ [ via Musée d’Orsay ]


PRESSE

Wir Deutschen sind einfach Dekadenzversager

Tilman Krause für die WELT | Artikel lesen

Die Deutschen wollen den Verfall nicht genießen, sondern bestrafen. Daher wird es hier auch nichts mit der Verfeinerung. Überlegungen aus Anlass einer großen Ausstellung über die Malerei um 1900.


Museum Georg Schäfer

Lockruf der DÉCADENCE –
Deutsche Malerei und Bohème 1840-1920

bis 08. Januar 2017

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