GERMAN POP – Deutsche Pop Art

Schirn Kunsthalle, Frankfurt | bis 8. Februar 2015
Hermann Albert Frau 7 1969 Acryl auf Leinwand 150 x 140 cm Galerie Poll Berlin © VG Bild Kunst Bonn 20141 - GERMAN POP - Deutsche Pop Art
Hermann Albert - Frau 7, 1969, Acryl auf Leinwand 150 x 140 cm,
Galerie Poll Berlin © VG Bild-Kunst, Bonn 2014

In einer großen Überblicksausstellung präsentiert die Schirn Kunsthalle Frankfurt bis zum 8. Februar 2015 erstmals ein breites Panorama der Pop Art in ihrer spezifisch deutschen Variante — ein bisher kaum beachtetes kunsthistorisches Phänomen.

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Pop, der in Großbritannien und den USA seinen Anfang nimmt und sich dort rasch als gattungsübergreifende Universalkultur etabliert, erfährt in den 1960er Jahren in der noch jungen Bundesrepublik Deutschland eine originelle künstlerische Ausprägung.

Die in Westdeutschland lebenden Künstlerinnen und Künstler wie Thomas Bayrle, Christa Dichgans, Karl Horst Hödicke, Konrad Klapheck, Ferdinand Kriwet, Uwe Lausen, Sigmar Polke oder Gerhard Richter setzen sich — im Gegensatz zum oft plakativen und glamourösen Vokabular ihrer angloamerikanischen Künstlerkollegen — in ihren Arbeiten mit den weniger grandiosen Banalitäten des deutschen Alltagslebens auseinander, ironisieren die kleinbürgerlichen Geschmacksideale und die beklemmende und trügerische Gemütlichkeit der 1960er Jahre.

Auf die Phase des Wirtschaftswunders folgt eine der politischen Aufarbeitung der damals jüngsten deutschen Vergangenheit. Prozesse der Demokratisierung finden auch in der Bildenden Kunst statt, ebenso wie die Suche nach einer neuen Identität und einer Neubestimmung des Kunstbegriffs.

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Schirn Kunsthalle, Frankfurt | bis 8. Februar 2015

GERMAN POP

Pressetext: Schirn Kunsthalle, Frankfurt
Kuratorin: Martina Weinhart (SCHIRN)

Das Konzept der Ausstellung rekonstruiert die vier maßgeblichen Zentren der Pop Art in Deutschland: Düsseldorf, Berlin, München und Frankfurt am Main. Als Plattformen brachten sie die Pop Art in ihrer Schlüsselphase als eigene großstädtische Kunstform zur Ausprägung. „German Pop“ vereint rund 140 Kunstwerke und Dokumentationsmaterialen von 32 Künstlerinnen und Künstlern, darunter sowohl inzwischen etablierte als auch längst vergessene und weitestgehend unbekannte Protagonisten der deutschen Pop Art.

KÜNSTLERLISTE: Hermann Albert, HP Alvermann, Ludi Armbruster, Bettina von Arnim, Thomas Bayrle, Werner Berges, KP Brehmer, Peter Brüning, Gernot Bubenik, Christa Dichgans, Lothar Fischer, Winfred Gaul, Reinhold Heller, K. H. Hödicke, Herbert Kaufmann, Konrad Klapheck, Florian Köhler, Ferdinand Kriwet, Manfred Kuttner, Michael Langer, Uwe Lausen, Konrad Lueg, Heino Naujoks, Wolfgang Oppermann, Sigmar Polke, Heimrad Prem, Gerhard Richter, Helmut Rieger, Peter Roehr, Klaus Staeck, Helmut Sturm, Wolf Vostell, Lambert Maria Wintersberger, HP Zimmer.

GERMAN POP Katalog - GERMAN POP - Deutsche Pop Art

KATALOG | GERMAN POP. 
Die deutsche Variante der Pop Art

Broschiert
240 Seiten
240 farb. Abb.
Verlag: König, Walther
Sprache: Deutsch, English

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Der Katalog stellt die Pop Art erstmals in ihrer spezifisch deutschen Variante vorg – ein bisher kaum beachtetes kunsthistorisches Phänomen. Pop, der in Großbritannien und den USA seinen Anfang nahm und sich dort rasch als gattungsübergreifende Universalkultur etablierte, erfuhr in den 1960er Jahren in Westdeutschland eine originelle künstlerische Ausprägung.
 
Jenseits einer „Coca-Kolonialisierung“ entwickelten die deutschen Künstler eine spezifische Ausprägung der Pop Art, die gleichsam auch einen Bruch mit der deutschen Hochkultur bedeutete.
 
Künstler wie Thomas Bayrle, Christa Dichgans, Karl Horst Hödicke, Konrad Klapheck, Ferdinand Kriwet, Uwe Lausen, Sigmar Polke oder Gerhard Richter setzten sich – im Gegensatz zum oft plakativen und glamourösen Vokabular ihrer angloamerikanischen Künstlerkollegen – in ihren Arbeiten mit den weniger grandiosen Banalitäten des deutschen Alltagslebens auseinander, ironisierten die kleinbürgerlichen Geschmacksideale und die beklemmende und trügerische Gemütlichkeit der 1960er Jahre.

In der Ausstellung sind beeindruckende und überraschende Arbeiten zu sehen, die teils seit Jahrzehnten nicht mehr ausgestellt wurden, wie etwa die Skulpturen von Winfred Gaul, oder sogar noch nie öffentlich zugänglich waren, so u. a. einige Kunstwerke von Ludi Armbruster. Letztere ist zudem eine der wenigen Künstlerinnen, deren frühe Bilder und Grafiken aber bisher kaum in diesem Zusammenhang beachtet wurden.

„German Pop“ versteht sich als Archäologie eines Jahrzehnts — den 1960er bis frühen 1970er Jahren —, die mit Gemälden, Objekten und Skulpturen, Filmen, Collagen und Grafiken eine Bestandsaufnahme der deutschen Pop Art leistet. Die jüngst abgeschlossenen umfangreichen Leihverhandlungen vor allem mit privaten Nachlässen und Sammlungen, aber auch mit zahlreichen bekannten Kunstinstitutionen wie dem Düsseldorfer Museum Kunstpalast, der Pinakothek der Moderne in München oder dem ZKM in Karlsruhe lassen dies möglich werden.


VIDEO | UWE LAUSEN. ENDE SCHÖN ALLES SCHÖN

In Deutschland wurde die Pop-Kultur zum Ausdrucksinstrument kultureller Differenz, die auf eine Abgrenzung zum eskapistischen Informel der Nachkriegsjahre ebenso zielte wie zum nationalsozialistischen Wertegefüge. Beginnend mit Konrad Klapheck, der als einer der ersten Künstler wieder Interesse für gegenständliche Malerei zeigte, entstand in Düsseldorf 1963 im Geiste des Pop der „Kapitalistische Realismus“ mit Manfred Kuttner, Konrad Lueg, Sigmar Polke und Gerhard Richter. Daneben entwickelte sich die rheinische Szene mit den Künstlern HP Alvermann, Peter Brüning oder Winfred Gaul. Das Rheinland spielte aufgrund seiner hervorragenden ökonomischen Situation zu Zeiten des Wirtschaftswunders eine Schlüsselrolle in der damaligen Kunstszene. Eine von Gerhard Richter und Konrad Lueg 1963 organisierte und inzwischen legendäre Aktion in einer ehemaligen Metzgerei — angekündigt als „erste Ausstellung deutscher Pop Art“ — kann als einer der Anfänge derselben bezeichnet werden. In ihrem Kontext ließ Gerhard Richter auch zum ersten Mal den Begriff „German Pop“ fallen.

Mit den Absolventen der Düsseldorfer Kunstakademie, Wolf Vostell, KP Brehmer und Herbert Kaufmann, die nach Berlin zogen, kam die deutsche Pop-Welle auf die sogenannte „Insel der freien Welt“. Berlin, das zu Beginn der 1960er-Jahre in der Kultur ein eher beschauliches Dasein fristete, knüpfte mit zwei hervorzuhebenden Initiativen an die neue Bewegung an: K. H. Hödicke, Lambert Maria Wintersberger und einige andere Maler gründeten 1964 die Produzentengalerie Großgörschen 35. Sie verband Künstler in ihrer Abwendung vom Informel und Tachismus und in ihrem Bestreben nach Gegenständlichkeit in der Malerei. Im selben Jahr eröffnete der 22-jährige RenéBlock seine Galerie mit der programmatischen Ausstellung „Neodada, Pop, Décollage, Kapitalischer Realismus“ und zeigte junge Deutsche wie KP Brehmer oder Wolf Vostell. Block, der seine Galerie als eine Art Korrekturinstrument verstand, sagt selbst, er habe bewusst auf ein internationales Programm verzichtet und so die Gleichberechtigung zur amerikanischen Pop Art propagiert, wenn auch nur mit bescheidenen Mitteln.

Frankfurt am Main war zur damaligen Zeit nicht wirklich eine Kunststadt, mit den European Headquarters der US-Armee, dem ersten Amerika-Haus, der ersten Shopping-Mall nach amerikanischem Vorbild, der Wirtschaftswunder-Meile Zeil, dem Flughafen, den Banken und der Börse aber irgendwie amerikanischer als andere Städte. Und so kam der German Pop sehr rasch auch in Frankfurt an. Mit den beiden Frankfurter Künstlern Thomas Bayrle und Peter Roehr; zwei der wichtigsten und prägenden Vertreter der deutschen Pop Art — grenzte er sich allerdings deutlich von den Zentren Düsseldorf und Berlin ab. Roehr und Bayrle widmeten sich dem Ornament der Masse und der seriellen Anordnung in kompositorischer Strenge. Sie verbindet der analytische Blick auf die Werbung — für Shampoo, Pulverkaffee, Haushaltsgeräte —, die beide als Propagandamaschine kleinbürgerlicher Ideologie entlarvten.

Allumfassend in seinem Charakter beeinflusst der Pop auch bereits existierende Kunstbewegungen wie die Münchner Gruppen SPUR, WIR und GEFLECHT. Obwohl diese der neuen Bewegung durchaus misstrauisch gegenüberstanden, waren sie auch von ihr fasziniert. So hatten sie durchaus eine Affinität für bestimmte künstlerische Elemente wie etwa comicähnliche Sprechblasen und hinterfragten darüber hinaus die Rolle des klassischen Künstlers als einsames Genie. Sie traten vielmehr für Kommunikation und Diskussion als verbindendes Element ein. Spätestens ab 1965 experimentierten in diesem Sinne Lothar Fischer, Heimrad Prem und Helmut Sturm mit der Motivik und Ästhetik der Pop Art. Darüber hinaus setzten sich in München Uwe Lausen und Michael Langer mit der neuen Bewegung auseinander.

Christa Dichgans Stillleben mit Frosch, 1969. Aquatec auf Leinwand 55 x 65 cm; Privatsammlung. Courtesy Contemporary Fine Arts, Berlin; Foto Jochen Littkemann
Christa Dichgans - Stillleben mit Frosch, 1969. Aquatec auf Leinwand 55 x 65 cm;
Privatsammlung. Courtesy Contemporary Fine Arts, Berlin; Foto Jochen Littkemann

Die Düsseldorfer, Berliner, Frankfurter und Münchner Szenen — stark divergierend und dennoch durch Pop als künstlerisches Prinzip vereint — waren alle vorwiegend durch Männer bestimmt. Dennoch gab es auch Frauen im Pop. Die große Überblicksausstellung in der Schirn stellt die weiblichen Protagonistinnen der Szene erstmals in den Kontext der gesamten deutschen Pop-Bewegung und präsentiert Arbeiten der Künstlerinnen Christa Dichgans, Bettina von Arnim und Ludi Armbruster.

Jenseits einer „Coca-Colonisierung“ entwickelten die deutschen Künstlerinnen und Künstler eine eigene Ausprägung der Pop Art, die gleichsam auch einen Bruch mit der deutschen Hochkultur bedeutete: So wurde die Formensprache einer Gartenlaube zu einem abstrakten Muster verarbeitet und Bügelbretter wurden zu bildwürdigen Motiven. Pop ist direkt und für jeden Betrachter unmittelbar zugänglich. Pop ist Alltag und reflektiert ihn, allem voran die kapitalistische Waren- und Konsumkultur und ihre Präsentationsformen. Auch wenn Amerika das Zentrum der damaligen Kunstwelt war und alle Blicke dorthin schweiften, blieb der deutsche Pop mit seinem historischen und kulturellen Hintergrund spezifisch.


VIDEO | KunstBewusst: Diedrich Diederichsen.
Über Pop Art. 18.12.2014, Museum Ludwig Köln. Anlässlich der Ausstellung LUDWIG GOES POP

Diedrich Diederichsen ist Kulturwissenschaftler, Kritiker, Journalist, Kurator, Autor und Hochschullehrer. Er gilt als einer der wichtigsten deutschen Poptheoretiker.

Mit diesem Vortrag soll eine Auseinandersetzung anlässlich der Ausstellung LUDWIG GOES POP im Kontext von Diedrich Diederichsens jüngster und zentraler Publikation „Über Pop-Musik“ stattfinden. Dabei ist von Interesse, inwiefern bestimmte Ideen des Buches auch auf den Kontext der Bildenden Kunst und hier insbesondere der Pop Art übertragbar sind: Welche Verbindungen, Einflüsse, ähnliche Strategien, wesentliche Unterschiede etc. sind in diesem Kulturfeld „Pop“ gegeben?

Diedrich Diederichsen - Über Pop-Musik

BUCH | Über Pop-Musik

»Diederichsens Buch ist jedoch nicht einfach nur SEIN Opus Magnum, es ist wirklich EIN Opus Magnum. Ein echtes ideengeschichtliches Ereignis.«, SZ, 08.03.2014

Gebundene Ausgabe
474 Seiten
Sprache: Deutsch
9,8 x 4,5 x 24,1 cm

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Diedrich Diederichsen über Pop-Musik: das Opus magnum Ganze Generationskohorten von Pop-Fans hat er angeregt und aufgestört: Diedrich Diederichsen. Nun erscheint mit »Über Pop-Musik« das Ergebnis seines lebenslangen Nachdenkens über Pop.

»Über Pop-Musik« ist ein kluges, ein kontroverses Buch, dessen Thesen ganze Gebäude eilig zusammengezimmerter Übereinkünfte zum Einsturz bringen werden. Pop-Musik, sagt Diederichsen, ist gar keine Musik. Musik ist bloß der Hintergrund für die viel tiefer liegenden, viel weiter ausstrahlenden Signale des Pop. Pop ist ein Hybrid aus Vorstellungen, Wünschen, Versprechungen. Er ist ein Feld für Posen und Pakte, für Totems und Tabubrüche.

Der Autor bezieht seine Argumente aus Semiotik und Soziologie ebenso wie aus der Geschichte und Gegenwart der Pop-Kultur und aus den angrenzenden Gebieten Jazz, Kino, Oper. Es dürfte das erste Buch sein, das der ganzen Vielgestaltigkeit des Phänomens Rechnung trägt, und das einzige, in dem gleichzeitig Theodor W. Adorno und Congo Ashanti Roy auftreten. Und es ist ein sehr persönliches Buch. Diederichsen greift immer wieder auf die eigenen Erfahrungen zurück, sein Initiationserlebnis war ausgerechnet ein Konzert des bleichen Bluesrockers Johnny Winter. Was er über dessen Auftritt schreibt, gilt für viele, die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgewachsen sind:

Pop hat »eingelöst, was wir alle immer schon geahnt hatten, aber als Kinder nie ganz genau wussten: dass es etwas gibt. Nicht, wovon Winter heulte, war wichtig, sondern dass in komischen Geräuschen ein Weg zur Welt war.«

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SOCIAL MEDIA anonym mit Hilfe des c't-Projektes Shariff

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