LOTTE LASERSTEIN. Von Angesicht zu Angesicht

Berlinische Galerie | bis 12. August 2019
Lotte Laserstein 800 700x520 - LOTTE LASERSTEIN. Von Angesicht zu Angesicht
Wanda von Debschitz-Kunowski, Ohne Titel ( Ausschnitt )
(Lotte Laserstein vor dem Gemälde „Abend über Potsdam“), undatiert
Berlinische Galerie – Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur
Foto: Anja Elisabeth Witte / Berlinische Galerie
© VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Die Berlinische Galerie präsentiert die Malerin Lotte Laserstein (1898–1993) in einer umfassenden Einzelausstellung mit 58 Werken, darunter 48 Gemälde und 9 Zeichnungen Lasersteins aus ihrer Berliner Erfolgsperiode und ihren schwedischen Exiljahren. Lasersteins Œuvre gehört zu den großen Wiederentdeckungen der letzten Jahre und zeichnet sich durch ebenso sensibel wie eindringlich gestaltete Porträts aus den späten Jahren der Weimarer Republik aus.


Die vom Frankfurter Städel Museum organisierte und bis zum 17. März 2019 dort gezeigte Ausstellung „Von Angesicht zu Angesicht“ wird vom Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur übernommen. In Berlin wird das Werk Lasersteins mit Porträts, Landschaftsbildern, Spätwerken und Bildern aus ihrem künstlerischen Umfeld der 1920/30er Jahre erweitert.

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Das Berliner Ausstellungskonzept der Kuratorin Annelie Lütgens, Leiterin der Grafischen Sammlung

Die Berlinische Galerie präsentiert nicht nur Werke aus den prägenden Berliner Jahren Lotte Lasersteins, sondern wirft einen Blick auf die zweite Lebenshälfte der Malerin im Exil. Anlässlich einer Ausstellung zu ihrem 85.Geburtstag 1983 in Kalmar wurde Peter Fors (*1957 in Kalmar) auf sie aufmerksam. Der kunstbegeisterte, junge Mann begleitete und unterstützte Laserstein dann als enger Vertrauter bis zu ihrem Tod.

2009 übergab er hunderte von dokumentarischen Materialien aus ihrem Nachlass in die Künstler*innenArchive der Berlinischen Galerie, die auszugsweise in der Ausstellung gezeigt werden. Hinzu kommen einige Dinge aus Fors‘ heutigem Besitz. In der Berlinischen Galerie hat Lotte Laserstein daher seit langem ihren Platz. Anlässlich der Ausstellung Kunst zweier Metropolen konnte Lasersteins verschollen geglaubtes Gemälde „Im Gasthaus“ (1927) im Jahr 2014 erstmals seit 1928 wieder gezeigt werden. Es war vom Magistrat der Stadt angekauft, im Zuge der Aktion Entartete Kunst entfernt worden und galt bis 2013 als verschollen.

Die Berlinische Galerie präsentierte in ihrer Ausstellung Wien Berlin insgesamt drei Leihgaben von Gemälden Lasersteins, darunter das Meisterwerk „Abend über Potsdam“ (1930), das sich seit 2010 im Besitz der Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin befindet. Die Berlinische Galerie schätzt sich glücklich, Lasersteins frühes „Selbstporträt im Atelier Friedrichsruher Straße“ seit 2016 als langfristige Leihgabe aus Privatbesitz in der ständigen Sammlung präsentieren zu können.

Die Schau baut auf den Sammlungsbeständen des Städel Museums auf, das mit den Gemälden Russisches Mädchen mit Puderdose von 1928 und Junge mit Kasper-Puppe (Wolfgang Karger) von 1933 in den vergangenen Jahren wichtige Arbeiten der Künstlerin erwerben konnte.

1928 nahm Laserstein mit Russisches Mädchen mit Puderdose an dem Wettbewerb „Das schönste deutsche Frauenporträt“ teil, das unter 365 Werken für die Endrunde nominiert wurde. Die 26 ausgewählten Gemälde wurden in der Galerie Gurlitt ausgestellt und von einem breiten Publikum begeistert aufgenommen.

laserstein russisches maedchen mit puderdose 1928 700x543 - LOTTE LASERSTEIN. Von Angesicht zu Angesicht
Lotte Laserstein (1898-1993)
Russisches Mädchen mit Puderdose, 1928 Öl auf Holz, 31,7 x 40 cm, 
Städel Museum, Frankfurt am Main
Foto: Städel Museum – ARTOTHEK © VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Bei dem Gemälde Russisches Mädchen mit Puderdose handelt es sich um ein Hauptwerk der Künstlerin, welches ihre Formensprache und Modernität eindrücklich zur Geltung bringt. Es zeigt ein junges, modisch gekleidetes Mädchen mit einem für die Zeit typischen, burschikosen Haarschnitt. Die Dargestellte begutachtet ihre Frisur mithilfe einer Puderdose in einem großen Spiegel.

Die flächige Malweise des Hintergrundes, der Kleidung und des Spiegels kontrastiert mit den präzise ausgeführten Details der Hände und des Gesichts. Effektvoll bedient sich Laserstein ästhetischer Stilmittel wie farblicher Hell-Dunkel-Kontraste und Frontalansicht.

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Städel Museum, Frankfurt am Main | bis 17. März 2019
Berlinische Galerie | 5. April - 12. August 2019

LOTTE LASERSTEIN. Von Angesicht zu Angesicht

Pressetext: Städel Museum
Kuratoren: 
Alexander Eiling (Sammlungsleiter Kunst der Moderne, Städel Museum), 
Elena Schroll (Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Städel Museum)
Lotte Laserstein Katalog photo

KATALOG | LOTTE LASERSTEIN.
Von Angesicht zu Angesicht

LESEPROBE

Gebundene Ausgabe, Pappband
192 Seiten
139 farbige Abbildungen
Prestel Verlag
Sprache: Deutsch
21,0 x 28,0 cm

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Die Publikation bietet eine Einführung in die Kunst Lasersteins von Alexander Eiling, Elena Schroll untersucht die Malerin als Teil der „verschollenen Generation“, Annelie Lütgens vergleicht Lasersteins Porträts mit Werken weiterer Künstlerinnen ihrer Zeit und die Laserstein-Expertin Anna-Carola Krausse analysiert die Neuinterpretation tradierter Bildmuster durch die Künstlerin.

Außerdem enthält der Katalog Beiträge von Kristin Schroeder, Kristina Lemke, Maureen Ogrocki, Philipp von Wehrden und Valentina Bay, die Lasersteins Aktdarstellungen, ihre Exilzeit in Schweden sowie ihre künstlerischen Vermarktungsstrategien untersuchen.


Anhand von rund 40 Gemälden und Zeichnungen nimmt die Ausstellung Lasersteins künstlerische Entwicklung in den Blick. Der Fokus liegt auf ihren Arbeiten der 1920er- und 1930er-Jahre, die den Glanzpunkt ihres Schaffens markieren. „Lotte Laserstein. Von Angesicht zu Angesicht“ ist die erste Einzelpräsentation der Künstlerin in Deutschland außerhalb Berlins.

Durch Porträts ihrer Zeitgenossen machte sich die Malerin Lotte Laserstein im pulsierenden Berlin der Weimarer Republik einen Namen. In ihren Gemälden zeigte die Künstlerin das sie umgebende Berliner Leben, richtete dabei den Fokus auf Darstellungen der sogenannten „Neuen Frau“ und fing ihre Bildmotive mit einem dezidiert weiblichen Blick ein.

Erfolgreich beteiligte sie sich an zahlreichen Ausstellungen und Wettbewerben und erhielt viel Lob von der Kunstkritik. Nach der frühen Anerkennung endete ihre Karriere jedoch schlagartig: Aufgrund der politischen Bedingungen im Nationalsozialismus wurde die Malerin, die zwar christlich getauft war, doch aufgrund ihrer Großeltern als jüdisch deklariert wurde, zunehmend aus dem öffentlichen Kulturbetrieb ausgeschlossen. 1937 gelang es ihr, Deutschland zu verlassen und nach Schweden zu emigrieren, wo sie allerdings nicht mehr an ihre frühen Erfolge anknüpfen konnte. Das Gemälde Russisches Mädchen mit Puderdose nahm die Künstlerin mit ins schwedische Exil. Abgeschnitten von der internationalen Kunstszene geriet ihr Werk weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung.

„Lotte Laserstein teilt das Schicksal vieler ihrer Zeitgenossen, die in der Weimarer Republik anfingen, sich eine Reputation aufzubauen, deren künstlerische Laufbahn durch das NS-System aber massiv beschnitten wurde. Sie kann der sogenannten ‚verschollenen Generation‘ zugerechnet werden, da ihre realistisch gemalten Bilder in der avantgardeorientierten Nachkriegsforschung vernachlässigt wurden. Erst seit den 1990er-Jahren findet diese außergewöhnliche Künstlerin eine späte Würdigung, zu der unsere Ausstellung einen entscheidenden Teil beitragen kann“, stellen die Kuratoren der Ausstellung, Alexander Eiling und Elena Schroll, heraus.

VIDEO | Lotte Laserstein. Von Angesicht zu Angesicht

STIL UND MOTIVE
Die Bilder Lasersteins stehen stilistisch der Neuen Sachlichkeit nah, doch passen sie nicht recht in diese kunsthistorische Kategorie. Im Hinblick auf Sujets und Grundhaltung lassen sich in Lasersteins Arbeiten zwar Anklänge an diese Kunstströmung finden, doch ist ihr Malstil weder objektivierend unterkühlt noch gesellschaftskritisch überzeichnet, wie für die Neue Sachlichkeit typisch. Ihre Malweise verbleibt stets realistisch, mit teilweise spätimpressionistisch lockerem Pinselduktus und einem sorgsam komponierten Bildaufbau.

Insgesamt ist der Einfluss ihrer akademischen Ausbildung – zu der sich Frauen damals gerade erst den Zugang erkämpft hatten – in ihren Werken deutlich erkennbar, weshalb ihr Stil als akademischer Realismus bezeichnet werden kann. Obwohl handwerklich traditionell, waren ihre Bilder inhaltlich von großer Aktualität.

Lotte Lasersteins favorisiertes Thema ist der Mensch in all seinen Facetten, weshalb sie sich hauptsächlich der Porträtmalerei widmet. In ihren Porträts setzt sie virtuos die Menschen der Zwischenkriegszeit ins Bild, wie etwa in Liegendes Mädchen auf Blau (1931) oder in Der Mongole (1927). Dabei zeichnen Nüchternheit, Modernität wie auch psychologische Tiefe ihre Darstellungen aus. In ihrem Œuvre gibt es ebenso Motive, die von der Technik- und Sportbegeisterung der Zeit künden, doch sind diese zahlenmäßig weit weniger bedeutend. In ihren Bildnissen malt Laserstein Typen des modernen Alltags: sportive Frauen, sich schminkende junge Mädchen, einen Motorradfahrer in voller Montur und modisch gekleidete Großstädterinnen.

Liegendes Mädchen auf Blau von Lotte Laserstein 700x510 - LOTTE LASERSTEIN. Von Angesicht zu Angesicht
Lotte Laserstein (1898-1993)
Liegendes Mädchen auf Blau, um 1931. Öl auf Papier, 69 × 93 cm; 
Privatbesitz, Courtesy DAS VERBORGENE MUSEUM, Berlin. 
Foto: DAS VERBORGENE MUSEUM, Berlin; © VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Die Künstlerin spielt mit Zitaten aus der Kunstgeschichte und baut oftmals Spiegelungen und Verdoppelungen der Figuren ein. Häufig malt sie komplexe Kompositionen, in denen sie sich auch selbst beim Malen im Atelier zeigt, um auf ihre Rolle als akademisch ausgebildete Künstlerin zu verweisen. Darüber hinaus entwirft Laserstein mit ihren modisch gekleideten Protagonistinnen den Typus der emanzipierten Städterin, die sich ohne männliche Begleitung frei und selbstbewusst im öffentlichen Raum bewegt.

Dieses zeitgenössische Bild der sogenannten „Neuen Frau“ ist von besonderem Interesse für sie. So machen Frauenporträts auch den größten Teil ihrer Kunst aus, selten fertigt sie Bildnisse von Männern an.

IHR MODELL TRAUTE ROSE
Neben den professionellen Modellen an der Akademie und sich selbst porträtiert Laserstein immer wieder ihre langjährige Muse und Freundin Gertrud Rose (geb. Süssenbach), genannt Traute. Diese verkörpert den Typus der „Neuen Frau“, wie er in den Zwischenkriegsjahren in den Medien geradezu propagiert wurde, und ist damit ein ideales Modell. Rose entspricht – genau wie Laserstein selbst – dem Ideal der Zeit: eine androgyne, sportliche, emanzipierte junge Dame mit Bubikopf und locker sitzender Kleidung. In ihren Porträts erscheint Rose mal als Tennisspielerin, mal in Doppelporträts an der Seite der Künstlerin oder als Aktmodell im Kontext des Ateliers.

laserstein in meinem atelier 1928 700x441 - LOTTE LASERSTEIN. Von Angesicht zu Angesicht
Lotte Laserstein (1898-1993)
In meinem Atelier, 1928 Öl auf Holz, 46 × 73 cm
Privatbesitz | Foto: Lotte-Laserstein-Archiv / Krausse, Berlin
© VG Bild-Kunst, Bonn 2018

In Abgrenzung zu herkömmlichen Darstellungen weiblicher Modelle durch männliche Künstler, in denen die Frau zum objektivierten Gegenüber des Malers wird, zeugen die Bilder Lasersteins von der gleichberechtigten und vertrauten Beziehung zwischen den beiden Freundinnen. Dies wird besonders in Vor dem Spiegel von 1930/31 und In meinem Atelier (1928) deutlich, in denen Rose jeweils nackt und Laserstein in der Rolle der Malerin zu sehen ist.

Besonders diese Aktdarstellungen führten in der Forschung immer wieder zur Annahme einer homosexuellen Liebesbeziehung zwischen den beiden Frauen, wofür es jedoch keinerlei biografische Hinweise gibt. Mit Traute Rose, die in Deutschland blieb, verband Laserstein zeitlebens eine tiefe Freundschaft und die beiden führten auch während ihrer Zeit in Schweden eine umfangreiche Korrespondenz.


PRESSESCHAU
Lotte Laserstein Abend über Potsdam 1930 700x376 - LOTTE LASERSTEIN. Von Angesicht zu Angesicht
Lotte Laserstein (1898–1993) - Abend über Potsdam, 1930
Öl auf Holz, 111 x 205,7 cm Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin
Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Roman März
© VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Abend über Deutschland

Anna-Carola Krausse für die Kulturstiftung der Länder | Artikel lesen

Mit Lotte Lasersteins Gemälde „Abend über Potsdam“ von 1930 gelingt der Berliner Nationalgalerie eine spektakuläre Neuerwerbung für die Sammlung der klassischen Moderne.

„Das Berliner Tageblatt sprach 1929 eine deutliche Sprache: „Lotte Laserstein – diesen Namen wird man sich merken müssen. Die Künstlerin gehört zu den allerbesten der jungen Maler Generation, ihr glanzvoller Aufstieg wird zu verfolgen bleiben!““


Lotte Laserstein im Städel

„Von Angesicht zu Angesicht“: Das Frankfurter Städelmuseum blickt mit der Malerin Lotte Laserstein auf die Weimarer Republik.

Judith von Sternburg für die FR Frankfurter Rundschau | Artikel lesen

„… 1932, malt Lotte Laserstein sich selbst als aufgebrezelte, dabei mit dem typischen skeptischen Laserstein-Blick durchs Federboageflimmer blickende Polly Peachum an der Seite eines düsteren Mackie Messer. „Mackie Messer und ich“ heißt das Bild, aber man hätte die Malerin ohnehin erkannt, aber der Titel ist eine Stellungnahme. Ein Jahr später sind die Nationalsozialisten an der Macht und verbieten die „Dreigroschenoper“, die der Weimarer Republik den größten Erfolg und die größte rechtsextreme Randale beschert hat. Die großartigsten Bilder Lasersteins, lässt sich sagen, verbinden ihre individuellen Qualitäten mit einer eigenwilligen Reaktion auf die Zeitläufte.“


Wiederentdeckung der Malerin Lotte Laserstein

Anja Reinhardt für Deutschlandfunk | Beitrag lesen

„Sie fiel als Frau und Malerin durch alle Raster, und wurde gleich zwei Mal vergessen: Weil Lotte Laserstein 1937 vor den Nationalsozialisten nach Schweden floh; und weil ihre Kunst nach dem Krieg als zu akademisch galt. In der Frankfurter Schau „Von Angesicht zu Angesicht“ kann man sie jetzt wieder entdecken.

Lasersteins Stil ist eigensinnig, nie gehört sie einer Schule an, ihr Stil ist realistisch, aber für die „Neue Sachlichkeit“ fehlt ihr der politische Bezug, so wie Dix oder Grosz ihn immer wieder suchten. Die Bilder der Künstlerin zeichnen sich eher durch eine genaue Kenntnis der Kunstgeschichte aus, immer wieder entdeckt der Betrachter Parallelen zu Leonardo da Vinci, Michelangelo, Adolph Menzel oder Wilhelm Leibl. Sie studiert den menschlichen Körper ganz genau, ohne ihn dabei jemals dem Grotesken oder Lächerlichen preiszugeben. Die Malerin liebt ihre Modelle.“


AUDIOGUIDE


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