Willi Sitte: Die Retrospektive | SITTES WELT

Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) | bis 09.01.2022
sitte jugend master kober - Willi Sitte: Die Retrospektive | SITTES WELT

Willi Sitte: Unsere Jugend, 1962, 4-teilig, Öl und Collage auf Hartfaser, 204 x 484 cm, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Punctum/Bertram Kober © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

2021 jährt sich zum 100. Mal der Geburtstag des Künstlers und Kulturpolitikers Willi Sittes (1921–2013). Er gehört zu den national wie international bekannten Kunstschaffenden in der DDR und ist zudem der umstrittenste Vertreter der Kunst dieses Staates. Die Retrospektive setzt sich mit dem zwischen den 1930er Jahren und 2005 entstandenen Gesamtwerk des Künstlers auseinander.

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Die Kunstschau liefert erstmals seit 1989/90 und ohne kulturpolitische Einflussnahme einen umfassenden Überblick über die Entwicklung des Werkes des exponiertesten Repräsentanten des offiziellen Kunst- und Kultursystems der DDR.

Die Ausstellung erstreckt sich über zwei Ebenen im gesamten Westflügel der Moritzburg. Im 1. Obergeschoss findet auf ca. 1100 qm die eigentliche retrospektive Vorstellung des Gesamtwerks statt. Ein weitestgehend chronologischer Parcours ist in thematische Cluster gegliedert. Einen zentralen Raum nehmen die Werke der 1940er bis 1960er Jahre ein, die die entscheidenden Entwicklungsjahre Willi Sittes waren – sowohl künstlerisch als auch in seinem Verhältnis zu Staat und Partei.


Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) | bis 09.01.2022

SITTES WELT.

Willi Sitte: Die Retrospektive

Pressetext: Kunstmuseum Moritzburg www.kunstmuseum-moritzburg.de
Kuratoren:
Thomas Bauer-Friedrich und Paul Kaiser, Dresden,
unter Mitwirkung von Eckhart Gillen, Berlin, und Dorit Litt, Bonn
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KATALOG | SITTES WELT.
Willi Sitte: Die Retrospektive

Band 23 der Schriften für das Kunst­museum Moritz­burg Halle (Saale)

LESEPROBE

Gebundene Ausgabe
538 Seiten
mit 5 Falttafeln, 454 Abbildungen, farbig
Sprache: Deutsch
24.9 x 5 x 30.7 cm

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SITTES ROLLE ALS KÜNSTLER UND KULTURFUNKTIONÄR

Durch die Darstellung der Entstehungsgeschichte und Rezeption der Werke wird die chronologische Betrachtung des Lebens und Schaffens des Künstlers abgerundet. Zu dem hier vorgestellten Gesamtwerk Sittes gehören auch die großformatigen Programmbilder des Künstlers von den 1950er-Jahren bis in die 1980er-Jahre. Studien, Zeichnungen, Skizzenbuchdarstellungen, Dokumente, zeitgenössische Rezensionen sowie die internationale Rezeption des Werks in Ost wie West und nach dem Fall der Mauer ermöglichen eine fundierte Analyse.

Das eindrucksvoll bebilderte Buch zeichnet das Agieren Sittes, seine Motivation und Beweggründe wie auch seine fortschreitend das System stärkende Rolle nach. Es setzt sich aber auch mit der Verschränkung von Kunst und Politik im DDR-Staatssystem auseinander. Die umfassend recherchierte Darstellung der Hintergründe vermittelt ein neues Bild vom Aufstieg des Malers zum einflussreichsten Künstler der DDR.

„Der umfangreiche, akribisch und mit hohem Anspruch erarbeitete und gestaltete Katalog wird für die nächsten Jahre ein Grundlagenwerk bleiben.“ –Peter Michel, junge Welt, Ausgabe vom 9.10.2021


Die letzten Werkschauen zum Werk Willi Sittes fanden in den 1980er Jahren und damit noch zu DDR-Zeiten statt: anlässlich des 60. Geburtstages des Künstlers 1981 im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), 1982 in der West-Berliner Kunsthalle und 1986, zum 65. Geburtstag des Künstlers, in der Nationalgalerie in Ost-Berlin.

Im wiedervereinten Deutschland hat es bislang keine Retrospektive und nur bedingt eine sachlich-objektive Auseinandersetzung mit Sittes künstlerischen Schaffen gegeben.

Dieses Desiderats und dieser Herausforderung nimmt sich die Ausstellung Sittes Welt anlässlich des 100. Geburtstages des Künstlers im Jahr 2021 an.

VIDEO | AusstellungsTrailer

Auf der einen Seite steht die Person Willi Sitte als bildender Künstler, auf der anderen Seite der Kulturpolitiker Willi Sitte, der maßgeblich die Biografien von Künstlern wie auch die allgemeine Kulturpolitik in der DDR positiv wie negativ beeinflussen konnte und beeinflusst hat. Diese zwei Seiten der Person Willi Sittes haben eine objektive Auseinandersetzung mit seinem Werk seit 1989 erschwert und in großen Teilen bislang unmöglich gemacht. Zunächst stand der Politiker Sitte im Fokus der Diskussionen, was die Auseinandersetzung mit seinem Schaffen lange be- bzw. verhinderte.

Während in den zurückliegenden Jahren große Einzelausstellungen zum Schaffen seiner Künstlerkollegen Wolfgang Mattheuer (2017, Rostock, Zwolle/NL), Werner Tübke (2009, Leipzig) und Bernhard Heisig (2005/06, Leipzig, Düsseldorf, Berlin) stattgefunden haben, steht eine Retrospektive zum Werk Willi Sittes 30 Jahre nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten und 40 Jahre seit der letzten Werkschau 1981 im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) bis dato aus. Daran vermochten auch die jüngsten Ausstellungen 2018/19 in der Kunsthalle Rostock (Willi Sitte und Fritz Cremer im Dialog) sowie die Integration seiner Werke in Überblicksausstellungen (Ostdeutsche Malerei und Skulptur 1949–1990, Albertinum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, 2018/19; Utopie und Untergang, Kunstpalast, Düsseldorf, 2019/20) nichts zu ändern.

Seinen Pinselstrich kannte die ganze DDR. Willi Sitte hat die Nacktheit stilisiert. Unbekleidete menschliche Körper in allen Drehungen und Stellungen. Mit derber Sinnlichkeit und wuchtigen Farben hat er sich in die Kunstgeschichte eingeschrieben.

Die Gründe für die ausbleibende museale Auseinandersetzung mit Willi Sitte liegen u. a. in den Ereignissen um den schriftlichen Vorlass des Künstlers, den dieser in den 1990er Jahren dem Deutschen Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg, übergeben hat. Aus diesem Material heraus sollte dort zum 80. Geburtstag Sittes 2001 eine Ausstellung stattfinden. Sie wurde zunächst vom Museum verschoben und nachfolgend vom Künstler abgesagt. Für die neuen Bundesländer hatte Sitte zudem bereits unmittelbar nach der friedlichen Revolution 1989 ein Verbot der Ausstellung seiner Werke ausgesprochen. Schließlich wurde die 2003 gegründete Willi-Sitte-Stiftung und der darin befindliche Teil seines künstlerischen Vor-/Nachlasses nicht in Halle (Saale) ansässig, sondern im benachbarten Merseburg. 2021 wurde die Stiftung aufgrund gravierender finanzieller Probleme aufgelöst.

Willi Sitte Bergung aus Hochwasser - Willi Sitte: Die Retrospektive | SITTES WELT
Willi Sitte: Bergung aus Hochwasser, 1958, Öl auf Hartfaser, 165 x 208 cm, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Falk Wenzel, Halle (Saale) © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Wunsch des Künstlers war es zu Lebzeiten, dass sein Nachlass in der Staatlichen Galerie Moritzburg, dem heutigen Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), eine dauerhafte Heimstatt findet. Dies konnte aufgrund der seinerzeit agierenden Personen nicht realisiert werden.

Im Zuge der Vorbereitung der Retrospektive 2021 verständigten sich die Erben des Künstlers und das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) darauf, in einem ersten Schritt zahlreiche Werke als Dauerleihgabe in die Sammlungen des Museums zu übernehmen. Viele von ihnen sind im Herbst/Winter 2021/22 Teil der Retrospektive.


PRESSESCHAU

Arbeit am Ich

Andreas Platthaus für die FAZ | Artikel lesen

„Die Ausstellung ist augenöffnend. Plötzlich sieht man die Ähnlichkeit von Sittes ge­radezu gewalttätigem Inkarnat zu dem eines Lucian Freud oder die Erbschaft, die Neo Rauch über die Liebe zum Grotesken bei ihm angetreten hat. In der knallweiß gestrichenen großen Ausstellungsbox im Obergeschoss, dem furiosen Finale, hängt ein Dutzend Monumentalbilder aus allen Schaffensphasen – teilweise in derselben Konstellation wie bei der Retrospektive von 1971 –, doch alles sieht man neu, weil man den Parcours durch Sittes Persönlichkeit und Politikverständnis hinter sich hat.“


Willi Sitte Hoellensturz in Vietnam - Willi Sitte: Die Retrospektive | SITTES WELT
Willi Sitte: Höllensturz in Vietnam, 1966/67, Triptychon, Öl auf Hartfaser, 272 × 482 cm, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Punctum/Bertram Kober © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Als Künstler gescheitert

Carsten Probst im Gespräch mit Vladimir Balzer | für deutschlandfunkkultur | Beitrag lesen

Gespräch anhören

„In der Ausstellung sei die Historisierung dieser Kunst der DDR mit einem offeneren Blick sehr gelungen, meint Probst. Mit den Kuratoren Paul Kaiser aus Freiberg und Eckhart Gillen aus Karlsruhe schaue man „mit einem Blick Ost, und einem Blick West auf diesen sehr umstrittenen Künstler Willi Sitte“. Dabei gebe es keine Kontroversen um die Bewertung des Künstlers:

„Fast ist es so, dass bei Eckhart Gillen dieser westdeutsche Blick auf Sitte geradezu milde und mitfühlend war mit seinem künstlerischen Scheitern. Aber dass er als Künstler gescheitert ist, darüber sind sich eigentlich alle einig.““


Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)

www.kunstmuseum-moritzburg.de

SITTES WELT
Willi Sitte: Die Retrospektive

Ausstellung bis 09. Januar 2022

Bitte beachten Sie die Informationen zum Schutz- und Hygienekonzept des Museums, zur Eindämmung der Corona-Epidemie.


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