ERNST BARLACH zum 150. Geburtstag | Eine Retrospektive

Albertinum, Dresden | bis 10. Januar 2021
Ernst Barlach Russisches Taschenbuch detail 1200 700x432 - ERNST BARLACH zum 150. Geburtstag | Eine Retrospektive
Ernst Barlach, Russisches Taschenbuch I „Aus Rußland 1906“, Detail, 
Taschenbuch mit rotbraunem Ledereinband 
© Ernst Barlach Stiftung Güstrow, Foto: Wittboldt/ Laur

2020 jährt sich der Geburtstag Ernst Barlachs (1870–1938) zum 150. Mal. Gemeinsam mit dem Ernst Barlach Haus – Stiftung Hermann F. Reemtsma in Hamburg und in Kooperation mit der Ernst Barlach Stiftung in Güstrow widmet das Albertinum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) dem Künstler eine umfangreiche Retrospektive.


Die Ausstellung thematisiert umfassend die Rezeption des Künstlers und seinen hohen Stellenwert in Ost- und Westdeutschland nach 1945. Sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR wurde Barlach vom verfolgten Künstler im Nationalsozialismus zur staatlichen Identifikationsfigur, geschätzten und viel diskutierten Künstlerpersönlichkeit.

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Rund 230 Werke aus allen Schaffensperioden und -bereichen des Künstlers legen die wichtigsten Stationen seines Lebens dar und beleuchten seine künstlerischen Entwicklungslinien. Veranschaulicht wird Barlachs besondere Leistung im Kontext der Moderne, die sich schließlich im Figurenkosmos seiner Holzskulpturen in ihrer unverwechselbaren Formensprache Bahn bricht.

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Albertinum, Dresden | bis 10. Januar 2021

Ernst Barlach zum 150. Geburtstag. Eine Retrospektive

Pressetext: Albertinum, Dresden https://albertinum.skd.museum/ausstellungen/
150 Jahre Ernst Barlach Eine Retrospektive Katalog - ERNST BARLACH zum 150. Geburtstag | Eine Retrospektive

KATALOG | Ernst Barlach. Eine Retrospektive
„… was wird bis Übermorgen gelten?“

LESEPROBE

Klappenbroschur
496 Seiten
464 meist farbige Abb.
Verlag: Sandstein Kommunikation
Sprache: Deutsch
30 x 24 cm

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Ohne Zweifel besitzt Ernst Barlach (1870–1938) eine Popularität wie kaum ein zweiter Künstler in Deutschland. Seine Bedeutung als Bildhauer verdankt er vor allem seinen Holzskulpturen. Gleichzeitig war der Vielfachbegabte aber auch in anderen Medien tätig: Barlach war Zeichner, Grafiker, Schriftsteller und ein ausdrucksstarker Briefschreiber. Der Band, in dessen Mittelpunkt die Zeichnungen und Holzskulpturen stehen, beleuchtet alle diese Facetten.


Erstmals bildet eine Ausstellung in Dresden – dem Ort des Beginns seiner künstlerischen Laufbahn – das gesamte Lebenswerk Ernst Barlachs ab, der wie kaum ein zweiter Künstler des 20. Jahrhunderts eine weitverbreitete Popularität in Deutschland genießt. Obgleich in erster Linie als Holzbildhauer bekannt, war Barlach auch ein in anderen Medien vielfach begabter und tätiger Künstler: Er war Zeichner, Grafiker, Autor zahlreicher Dramen und Prosawerke sowie leidenschaftlicher Briefeschreiber.

Die Schau zeigt Barlachs Multimedialität in großer Dichte. Im Mittelpunkt stehen seine Holzskulpturen, Zeichnungen und Skizzenbücher. Die Exponate sind zum Großteil hochkarätige Leihgaben aus dem Ernst Barlach Haus in Hamburg und der Ernst Barlach Stiftung in Güstrow: 24 von insgesamt 30 präsentierten Holzskulpturen sowie rund 100 Plastiken und Zeichnungen kommen aus Hamburg; 25 Skizzenbücher, Zeichnungen und Skulpturen stellt die Güstrower Stiftung zur Verfügung. Leihgaben aus weiteren deutschen Museen und privaten Sammlungen vervollständigen die Präsentation. Die Ausstellung umfasst zudem eine große Auswahl an Lithografien und Holzschnitten aus dem umfangreichen Bestand des Kupferstich-Kabinetts der SKD.

Ernst Barlach Im Zauberwald 1899 Foto Andreas Weiss 800 700x908 - ERNST BARLACH zum 150. Geburtstag | Eine Retrospektive
Ernst Barlach - Im Zauberwald, 1899, Ernst Barlach Haus Hamburg
Foto: Andreas Weiss

Der Rundgang durch die Ausstellung beginnt mit seinen ersten Schritten als Künstler in Hamburg und ab 1891 in Dresden, die zunächst vom Jugendstil, Naturalismus und Symbolismus geprägt waren. Dem Publikum weitgehend unbekannt, wird sein Frühwerk, das bis 1905 entstand, in der Präsentation mit eindrucksvollen Skizzenbüchern, Zeichnungen und ersten bildhauerischen sowie kunstgewerblichen Exponaten veranschaulicht.

Ebenso wird seine 1906 angetretene Russlandreise thematisiert, die seinen eigenen Stil nachhaltig verändern und festigen sollte. Nach diesem für ihn so wichtigen Aufenthalt prägten Bettlerfiguren, Außenseiterinnen oder Einzelgängerinnen sein Hauptwerk, in dem sich Barlach den Grundfragen menschlicher Existenz widmete. Sein künstlerischer Stil entwickelte sich zu einer formal reduzierten, vereinfachten Form, indem er genau Beobachtetes mit Abstraktion verband und innere Vorgänge äußerlich sichtbar machte. Dabei wurde Holz zu seinem bevorzugten Material. Vor allem in den 1920er-Jahren, die den Höhepunkt von Barlachs Erfolg markieren, waren die Holzskulpturen in Ausstellungen im In- und Ausland vertreten und wurden von Museen oder Privatsammlern angekauft.

Obgleich ohne konfessionelle Bindung, beschäftigte sich Barlach nach 1918 auch mit den Kernfragen des Glaubens. Sein Werk spiegelt die Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs wider, das sich in der Darstellung Notleidender oder Versehrter manifestiert und Randfiguren der Gesellschaft in den Fokus rückt.

Nach 1927 fand Barlach Ausdruck für die erlebten Schrecken des Weltkriegs in der Gestaltung verschiedener Ehrenmale. In seinen Gedenkzeichen verzichtet er vor allem auf die Heroisierung des Kriegsgeschehens und spricht den Betrachter unmittelbar an. Zeichnungen, Studien, plastische Entwürfe und Fotografien beleuchten die Schaffensprozesse, die zu seinen Ehrenmalen in Kiel, Hamburg, Magdeburg oder zur berühmten Plastik Der Schwebende (1927) im Dom zu Güstrow führten.

Die Verfemung Barlachs während des Nationalsozialismus wird in der Retrospektive intensiv besprochen. Bis zu seinem Tod war Barlach als „entarteter Künstler“ geächtet: Zahllose Grafiken, Skulpturen und Plastiken wurden aus Museumsbesitz – so auch in Dresden – beschlagnahmt. Seine Denkmäler wurden aus dem öffentlichen Raum entfernt, Ausstellungen seiner Werke und Aufführungen seiner Dramen untersagt, zudem frühere Ehrungen zurückgenommen.

Die in der Präsentation vertretene Holzskulptur Frierendes Mädchen von 1917 aus dem Ernst Barlach Haus in Hamburg hat eine besondere historische Verbindung zu den SKD. Sie wurde 1920 für die Skulpturensammlung im Albertinum erworben und gehörte 1937 zu eben jenen durch die Nationalsozialisten beschlagnahmten Werken. Nach über 80 Jahren findet sie als Leihgabe nun erstmals ihren Weg zurück nach Dresden.

Ernst Barlach Der Fries der Lauschenden 1930 35 Eichenholz 1200 700x306 - ERNST BARLACH zum 150. Geburtstag | Eine Retrospektive
Der Fries der Lauschenden (1930–1935)
via wikipedia Rufus46 - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0

Barlachs Werk nannten die Nazis „entartet“

Sabine Oelze für die Deutsche Welle | Artikel lesen

„Zu den rund 17.000 Kunstwerken, die Hitlers „Säuberungskommissionen“ 1937 als „entartet“ aus Museen und öffentlichen Räumen beschlagnahmten, zählen 381 Werke von Ernst Barlach. Darunter auch seine „Ehrenmale“ für Kiel („Schmerzensmutter“, 1922, „Geistkämpfer“, 1927), Hamburg („Mutter und Kind“, 1931), Magdeburg oder Güstrow („Der Schwebende“, 1927). Berühmt ist das Schicksal dieser Skulptur: „Der Schwebende“, oder wie sie im Zweitnamen heißt: „Schwebender Engel“. Barlach schuf sie anlässlich der 700-Jahr-Feier des Güstrower Doms als Mahnmal für die gefallenen Soldaten im Ersten Weltkrieg. 1937 ließen die Nazis das Original als sogenannte „Entartete Kunst“ entfernen; vier Jahre später wurde sie eingeschmolzen. Da war Ernst Barlach schon verstorben. Glücklicherweise konnten drei Nachgüsse von der Skulptur gefertigt wurden, die heute in Güstrow, Köln und Schleswig hängen. Barlach schrieb über den Ersten Weltkrieg und die Idee für seine Skulptur:

„Für mich hat während des Krieges die Zeit stillgestanden. Sie war in nichts anderes Irdisches einfügbar. Sie schwebte. Von diesem Gefühl wollte ich in dieser im Leeren schwebenden Schicksalsgestalt etwas wiedergeben.““


Bereits Anfang 2020 fand eine Barlach-Ausstellung zum 150. Geburtstag statt.

Barlach Haus, Hamburg | bis 22. März 2020 | www.barlach-haus.de

150 Jahre Ernst Barlach

»WERDEN, DAS IST DIE LOSUNG!«

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Der 150. Geburtstag einer Berühmtheit wie Ernst Barlach (1870–1938) lässt sich auf unterschiedliche Weise feiern. Man kann ehrfurchtsvoll Distanz halten, die künstlerischen Verdienstorden auf Hochglanz polieren – und damit das Œuvre letztlich für ebenso vergangen wie seinen Schöpfer erklären. Oder man nähert sich prüfend dem Werk, dreht und wendet es, nimmt es auseinander und sucht seine Relevanz für unser Heute.

Eine solche Form der kritischen Würdigung entspricht der Programmatik unseres Museums, das Barlach nicht mumifizieren sondern aktivieren möchte. Zum 150. Geburtstag unseres „Hauskünstlers“ lag es für uns nahe, die Frage nach seiner Gegenwärtigkeit an eine jüngere Kunsthistoriker*innengeneration weiterzugeben und zugleich eine Brücke zwischen Museum und Universität zu schlagen. Aus der Idee wurde ein gemeinsam mit Petra Lange-Berndt koordiniertes zweisemestriges Projekt am Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg, das sich vom wissenschaftlich forschenden Erstkontakt mit Barlachs Kunst bis zur gemeinschaftlich kuratierten Jubiläumsausstellung entwickelte. Zwölf Studierende begaben sich im April 2019 engagiert, entdeckungsfreudig und mit Lust am intensiven Diskurs auf den gewundenen Weg von der Theorie in die Praxis.

Das Ergebnis ist eine Schau, die überraschende Akzente setzt. Dank eines inklusiven, auch auf Interaktion mit den Besucherinnen setzenden Konzepts wird Barlach auf neue Weise als Bildhauer-Dramatiker-Grafiker erfahrbar und kann zum runden Geburtstag all seine widersprüchliche und widerständige Vielschichtigkeit entfalten. Doch bleibt der multiple Barlach nicht unter sich: Zeitgenössische Handpuppen, die raumgreifende Intervention Lichtung von Marten Schech (1983), eine Sitzende Katze der mit Barlach liierten Tierbildhauerin Marga Böhmer (1887–1969) oder ein Buddha Maravijaya aus Myanmar überschreiten die Grenzen gängiger Barlachpräsentationen. Die heterogenen Objekte verweisen auf den weiten Wahrnehmungshorizont des Künstlers – und erweitern unseren Blick auf ihn. Dabei ist der Titel der Ausstellung, der Barlachs Drama Der blaue Boll entlehnte Ausspruch „Werden, das ist die Losung!“, auch ein Versprechen an unsere Gäste: Zum Jubiläum servieren wir kein Fertiggericht.


Albertinum

albertinum.skd.museum

Ernst Barlach zum 150. Geburtstag. Eine Retrospektive

bis 10.1.21

Das Albertinum hat täglich (außer Montag) 11 bis 17 Uhr geöffnet. Die Ausstellung „Ernst Barlach zum 150. Geburtstag“ hat zudem Freitag bis 20 Uhr geöffnet.


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