Heidi Bucher | Portrait im Studio, ca. 1960 | Ausschnitt Copyright: The Estate of Heidi Bucher
„Räume sind Hüllen, sind Häute. Eine Haut nach der andern ablösen, ablegen: Das Verdrängte, Vernachlässigte, Verschwendete, Verpasste, Versunkene, Verflachte, Verödete, Verkehrte, Verwässerte, Vergessene, Verfolgte, Verwundete.“
HEIDI BUCHER
Die bisher größte Retrospektive zu Heidi Bucher in der Schweiz widmet sich dem umfassenden und vielseitigen Gesamtwerk der Schweizer Künstlerin.
Gezeigt werden Arbeiten aus allen zentralen Werkgruppen. Darunter frühe und weitgehend unbekannte Designstudien aus ihrer Studienzeit, die «Bodyshells» genannten geschlechterlosen Körperskulpturen aus der experimentellen Zeit in New York und Los Angeles in den 1960er- und 1970er-Jahren, in denen sie unter anderem mit Edward Kienholz arbeitet, sowie architektonische und menschliche Latex-«Häutungen» aus ihrem Hauptwerk.
Mit Heidi Bucher (* 1926 Winterthur, † 1993 Brunnen, Schweiz) wird eine bedeutende und wiederzuentdeckende Künstlerin der internationalen Neo-Avantgarden präsentiert, die mit ihren Latex-Werken die Zwänge und Befreiungsprozesse menschlicher Existenzformen ergründet.
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Haus der Kunst München | 17.9.21 bis 13.2.22
Kunstmuseum Bern | bis 07. August 2022
HEIDI BUCHER. Metamorphosen
Pressetext: Kunstmuseum Bern | Haus der Kunst, München
Kuratiert von Jana Baumann. Kuratorische Assistenz: Luisa Seipp
Ausstellungsbroschüre lesen
Taschenbuch 299 Seiten 170 Abbildungen Herausgeber: Hatje Cantz Verlag Sprache: Deutsche Ausgabe, siehe Leseprobe (ISBN 978-3-7757-4792-9) 24 x 30 cm
Aus Heidi Buchers Faszination für das Zusammenspiel von Kunst und Mode gingen bereits im Kalifornien der frühen 1970er-Jahre tragbare geschlechterlose Körperskulpturen hervor, die ihren Skulpturenbegriff zwischen Performance und Objekt zelebrierten.
Schon zu dieser Zeit begann sie mit ungewöhnlichen Werkstoffen wie Kautschuk zu experimentieren, den sie flüssig auf Oberflächen auftrug und nach dem Erstarren mit großer Körperkraft wieder abzog. Mit ebenso radikalen wie sinnlichen Materialtransformationen erkundete sie menschliche Existenzformen und deren Einbettung in Machtstrukturen. Dabei hat sie sich stets einer kritischen Unterwanderung von normierten Geschlechterrollen gewidmet.
Diese Monografie stellt Buchers Schaffen von den Anfängen in Zürich in den 1940er-Jahren, der experimentellen Phase im New York und Los Angeles der 1960er- und 1970er-Jahre, über das Hauptwerk mit Architektur- und Menschenhäutungen bis zu den in ihren letzten Lebensjahren auf Lanzarote entstandenen Arbeiten vor.
Mit ihrer performativen Arbeit lenkt sie den Blick auf den Körper im Raum, dem sich Erlebnisse, Beziehungen und Emotionen einschreiben. Die Retrospektive stellt erstmals alle zentralen Werkgruppen der Öffentlichkeit vor, von den Anfängen über die experimentelle Zeit in Los Angeles und New York, das Hauptwerk mit den Architektur-Häutungen bis zum auf Lanzarote entstandenen Spätwerk.
Aus Buchers anfänglicher Faszination für ein Zusammenspiel von Kunst und Mode gingen schon im Kalifornien der frühen 1970er-Jahre geschlechterlose Körperskulpturen hervor. Die trag- und tanzbaren Körperskulpturen „Bodyshells“ zelebrieren bereits ihren Skulpturenbegriff zwischen Performance und Objekt und lassen Skulptur, Architektur, Design und Tanz miteinander verschmelzen. Für ein Symposium im Rahmen dieser Ausstellung werden sie rekonstruiert und erneut aktiviert.
Mit den unter enormen körperlichen Kraftanstrengungen durchgeführten Latex-Häutungen übertrug Bucher psychische Prozesse auf das Material. Die Inbesitznahme und Verwandlung von Räumen wurde Mitte der 1970er Jahre zum Leitmotiv, beginnend mit dem Abzug ihres eigenen Künstler-Studios Borg im Kühlraum einer ehemaligen Metzgerei. Auch in ihrem Elternhaus trug sie flüssiges Kautschuk auf Boden und Wände des „Herrenzimmers“ (1978) auf, das ehemals den männlichen Familienmitgliedern vorbehalten gewesen war, und löste mit dieser Häutung sinnbildlich die patriarchale Familienstruktur ab.
Die Schauplätze, die Heidi Bucher wählte, besaßen vielfach private und öffentliche Bedeutung zugleich, wie die psychiatrische Klinik Bellevue am Bodensee. Sie häutete dort unter anderem das „Audienzzimmer des Doktor Binswanger“ (1988), wo Sigmund Freud in engem Austausch mit Binswanger seine erste Probandin, die vermeintliche Hysterie-Patientin Anna O. und spätere Frauenrechtlerin Bertha Pappenheim, behandelte. Mit der Häutung des Eingangsportals des verlassenen Grand Hôtel Brissago am Lago Maggiore stellte sich Bucher einem kollektiv von Schuld und Scham besetzten, höchst ambivalenten Raum: Das Hotel war zunächst Erholungsort für Intellektuelle gewesen und wurde während des Regimes der Nationalsozialisten zu einem staatlich organisierten „Interniertenheim“ für jüdische Kinder und Frauen. Sie begriff die Haut als Schnittstelle zur Welt, als sensorischen Speicher von Erinnerung.
VIDEO | Kuratorin Jana Baumann präsentiert die Münchener Ausstellung „Heidi Bucher. Metamorphosen“.
Wenn Heidi Bucher mit ihren Häutungen gesellschaftliche wie private Machtstrukturen entlarvte, so öffnete sie in einem nächsten Schritt den Raum auch für Veränderung. Der Aspekt der Metamorphose kommt in ihrem Manifest „Parkettlibelle“ zum Ausdruck, in dem sie ihre Arbeit als einen „Metamorphosenprozess“ bezeichnet. Bei diesem geht die Loslösung von sozialer Konditionierung mit der Aufweichung und Mobilisierung von Gegenständen, und eben auch von statischen Verhältnissen, einher. Buchers Œuvre zeugt von einer künstlerischen Entdeckung und Emanzipation des sensuellen, empfindsamen Körpers im 20. Jahrhundert, wobei sie geschlechterlosen Utopien den Boden bereitete und sich entschieden gegen Ablehnung, Unterdrückung und Diskriminierung positionierte.
Die Retrospektive zeigt an die 100 Exponate und bisher unbekanntes Film- und Archivmaterial, das die starke performative Qualität ihres Schaffens verdeutlicht.
VIDEO | Talks & Tours „Heidi Bucher. Metamorphosen“ mit Jenny Schlenzka
Kuratorin Jana Baumann und Jenny Schlenzka, Executive Artistic Director des Performance Space New York, führen im gemeinsamen Gespräch durch „Heidi Bucher. Metamorphosen“.
Während sie durch die Ausstellung gehen, geben sie Einblicke in die gezeigten Werke. Dabei sprechen sie über die Bedeutung von Performance im Werk von Heidi Bucher im Besonderen und für Museen im Allgemeinen, über (im)materielle Erinnerungen, die Frage, wohin der Humanismus uns führt, und vieles mehr.
Ausstellung im Münchner Haus der Kunst bis 13.2.22, anschließend im Kunstmuseum Bern (8. April bis 7. August 2022), danach vom 9. Juli bis zum 11. Dezember im Muzeum Susch.
PRESSESCHAU
Heidi Bucher, Ablösen der Haut I, Herrenzimmer | Foto: The Estate of Heidi Bucher. Hans Peter Siffert
Räumen die Haut abziehen
Catrin Lorch für die SUEDDEUTSCHE ZEITUNG | Artikel lesen
Mit der Akribie eines Hannibal Lecter arbeitet die Schweizer Bildhauerin Heidi Bucher an der Architektur. Sie war fast vergessen …
„Das so geschichtsbewusste, hellwache Œuvre der Heidi Bucher wäre wichtig gewesen im Zusammenhang mit den Debatten um Erinnerungskultur in den Neunzigerjahren und im Kontext der feministisch-aktivistischen Arbeit von Künstlerinnen nach der Jahrtausendwende. Doch ist es fast müßig zu diskutieren, warum eine Bildhauerin Opfer der Amnesie einer so neuigkeitssüchtigen wie vergesslichen Kunstszene wurde …“
Mit Heidi Bucher (* 1926 Winterthur, † 1993 Brunnen, Schweiz) wird eine bedeutende und wiederzuentdeckende Künstlerin der internationalen Neo-Avantgarden präsentiert, die mit ihren Latex-Werken die Zwänge und Befreiungsprozesse menschlicher Existenzformen ergründet.
https://heidibucher.com/
Ausstellung bis 7. August 2022
Bitte beachten Sie die Informationen zum Schutz- und Hygienekonzept des Museums, zur Eindämmung der Corona-Epidemie.
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