WILLIAM S. BURROUGHS – Retrospektive

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WILLIAM S. BURROUGHS [ Foto: Hillebrand ]

Kultfigur der Beat-Generation, Pionier der Gegenkultur, Drogenpapst: William S. Burroughs riss Grenzen des Mainstream ein, erhob den Drogenrausch zum künstlerischen Medium. Die umfangreiche Ausstellung in der Sammlung Falckenberg ( Phoenix-Hallen Hamburg ) stellt bis 18. August 2013 das künstlerische Schaffen des Schriftstellers vor und wird ergänzt durch eine Reihe von Werken zeitgenössischer internationaler KünstlerInnen, die sich auf die Schriften von Burroughs und seine »Expanded Media«-Methode beziehen.


Werke wie »Naked Lunch« oder »The Soft Machine« haben William S. Burroughs (1914-1997) als Autor weltberühmt gemacht. Weit weniger bekannt ist sein umfangreiches multimediales Werk, das Experimente mit Tonband, Film und Fotografie ebenso umfasst, wie Malerei und Collagen.

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Die umfangreiche Ausstellung stellt das künstlerische Schaffen des Schriftstellers vor, untersucht die vielfältigen Verbindungen zwischen literarischer und experimentell-bildnerischer Produktion und erweitert das Bild zusätzlich durch die Präsentation der »Collaborations«, die Burroughs zusammen mit anderen KünstlerInnen geschaffen hat.

Zusätzlichen Reiz gewinnt die Ausstellung durch eine Reihe von Werken zeitgenössischer internationaler KünstlerInnen, die sich dezidiert auf die Schriften von Burroughs und seine »Expanded Media«-Methode beziehen und damit das bildnerische Potenzial aus heutiger Perspektive individuell ausloten.

Nach Karlsruhe und Wien ( 2012 ) ist die Hamburger Kunstschau bereits die dritte Burroughs-Ausstellung innerhalb von 12 Monaten im deutschsprachigen Raum.


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KATALOG | William S. Burroughs. 
Cut

Gebundene Ausgabe
164 Seiten
100 farbige Abbildungen
Text: Deutsch

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Der Katalog stellt das künstlerische Schaffen von William S. Burroughs erstmalig in ganzer Breite in Deutschland vor und zeigt zahlreiche Werke, die der Schriftseller mit Brion Gysin, Ian Sommerville und Antony Balch unter dem Begriff „The Third Mind“ ab den 1960er Jahren geschaffen hat, sowie „Collaborations“ mit anderen Künstlern wie John Giorno oder George Condo.

Ian MacFadyens Essay „Codename Burroughs“ untersucht die vielfältigen Verbindungen zwischen literarischer und experimentell bildnerischer Produktion. Entsprechend der Idee der Reihe „The Future of the Past“ widmet sich Axel Heil der Bedeutung Burroughs‘ für die zeitgenössische Kunst.

Das Interview von Jean-Jacques Lebel mit Burroughs und Gysin (Paris, 1982) liegt erstmals in deutscher Übersetzung vor. Das Buch entstand in Zusammenarbeit mit James Grauerholz und The William S. Burroughs Trust, Lawrence, Kansas.


Der „Retrospektive“ des ZKM, Karlsruhe, und der Deichtorhallen Hamburg, Sammlung Falckenberg, mit mehr als 1.600 Exponaten geht es nicht um die kunsthistorische und kulturtheoretische Bewertung seines Werks. Burroughs’ in der Retraite entstandenen Shotgun Works und Malereien der letzten 15 Jahre seines Lebens fügen sich als private Reflexionen in das Bild des exemplarischen Außenseiters, der sich nur seiner eigenen Überzeugung verpflichtet fühlt.

Burroughs hat früh die Zeichen der Multimedia Art erkannt und umgesetzt. Als eine Art Katalysator bestimmte er wesentliche kulturelle und gesellschaftliche Verschiebungen der Popularkultur in der Nachkriegszeit. Von Duchamp stammt der Satz, dass jede gute Kunst aus dem Untergrund kommt. Burroughs hat fernab jeder Ambition, sich dem herrschenden Literatur- und Kunstbetrieb zu stellen, über Jahrzehnte aus dem Untergrund agiert. Das ist seine große persönliche Leistung. Und das aus retrospektiver Sicht zu belegen, Ziel der Ausstellung.


VIDEO | William S. Burroughs – Is Everybody In? [ Mash-Up von Alberkowski ]

William S. Burroughs reads poetry by Jim Morrison 
over music provided by The Doors ( Backdoor Man )

Ich glaube daran, dass es eine Art von Heiligen gibt, zu denen man aufschauen kann, wenn man jung ist, nirgendwo reinpasst, Kunst machen will und das sehr früh weiß. Du weißt, du wirst provozieren, aber das ist dir egal. Du willst nicht reinpassen, bist unbeliebt aber auch das ist egal. Du willst nicht die anderen sein und nichts mit ihnen zu tun haben. Für solche Menschen wird William immer eine beinahe religiöse Figur sein.“ (John Waters)

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24.03. - 12.08.2012 ZKM, Karlsruhe [ the name is BURROUGHS ]
16.03. - 18.08.2013 Sammlung Falckenberg, Hamburg-Harburg

WILLIAM S. BURROUGHS – Retrospektive

Pressetext: Deichtorhallen / Sammlung Falckenberg, Hamburg-Harburg

Er war berühmt für die falschen Dinge: Er war schwul, er war ein Junkie, er sah nicht gut aus, er hat seine Frau erschossen, er hat über Arschlöcher und Heroin geschrieben. Er war nicht einfach zu mögen.“ [ John Waters ]

Als zentrale Figur der Counterculture und Punk-Bewegung beeinflußte Burroughs über Jahrzehnte viele Künstler, Filmemacher und Musiker darunter David Cronenberg, Gus van Sant, Patti Smith, John Cage, Lou Reed, David Bowie, R.E.M. und Kurt Cobain. Zahlreiche Musikgruppen entlehnten Namen und Songtitel aus den Werken Burroughs. Die Band Steely Dan benannte sich nach einem Dildo aus seinem Buch „Naked Lunch“. Die Beatles verewigten Burroughs auf ihrem legendären Plattencover von »Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band«.

In der Rückschau soll die visionäre Explosivität des literarischen Schaffens von William S. Burroughs erfahrbar gemacht und zugleich die Ausstrahlung seiner Ideen und Philosophie auf ein weltweites Netz von Schriftstellern, Musikern und Komponisten, Malern, Fotografen, Videokünstlern und Filmemachern erstmals in Europa in dieser Fülle präsentiert werden .

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts gilt Burroughs mehr denn je — und besonders aufgrund der in den 1960-er Jahren gemeinsam mit dem Maler, Schriftsteller und Erfinder Brion Gysin, dem Mathematiker Ian Sommerville und dem Filmemacher Antony Balch durchgeführten Experimente — als ein Pionier der Medienkunst.


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VIDEO | The Cut Ups. 
William Burroughs, Antony Balch, 1966 
Cut-up films [ 2 ]

Anzahl Disks: 2 DVDs + booklet
Sprache: Englisch (Dolby Digital 2.0 Mono)
Untertitel: Italienisch
Bildseitenformat: 4:3
Produktionsjahr: 2004
Spieldauer: 80 Minuten

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Dies ist eine Sammlung von Filmen, die in Zusammenarbeit mit Burroughs, Gysin und Balch entstanden sind. Sie enthält Filmmaterial aus dem Hotel Beat (Paris), aus Tanger und New York. Der letzte Abschnitt ist eine Stunde aus einem fünfstündigen Film mit dem Titel „Ghosts at No. 9“, in dem Filmausschnitte und Überblendungen verwendet werden, Material aus dem umfangreichen Archiv von Psychic TV. Enthält eine 24-seitige, vollständig illustrierte italienisch/englische Broschüre. – William kauft einen Papagei (1963) – Towers Open Fire (1963) – The Cut-Ups (1966) – Bill & Tony (1972) – Ghost at No. 9 (1963-1972 SPECIAL FEATURES: Kommissar der Kanalisation (ein Videoporträt von Klaus Maeck) Thot-Fal’N (ein Kurzfilm von Stan Brakhage)


In der Ausstellung werden die prägenden Stationen und Begegnungen im Leben von William S. Burroughs mit teils selten zugänglichen Schrift-, Text-, Foto-, Ton- und Filmdokumenten nachvollzogen. Dazu gehören auch rund 600 verschiedene Ausgaben seiner weltweit erschienenen Bücher, die aus einer der größten privaten Sammlungen zu diesem Thema ausgeliehen werden konnten.

Das bildnerische Werk wird mit mehr als 150 Original-Exponaten dokumentiert, die zu einem maßgeblichen Teil aus dem von James Grauerholz verwalteten Estate of William S. Burroughs (Lawrence, Kansas) stammen und mit zusätzlichen Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen ergänzt werden. Eindrucksvoll wird dabei den Betrachtern vor Augen geführt, dass es sich beim „bildkünstlerischen“ Schaffen von Burroughs um einen originären Beitrag zur amerikanischen Gegenwartskunst handelt.

Die Ausstellung zeigt auch Werke, die — im Sinne des von Burroughs und Brion Gysin gemeinsam erarbeiteten Projekts The Third Mind — in Zusammenarbeit mit herausragenden Künstlerinnen und Künstlern entstanden: mit Robert Rauschenberg, Keith Haring, George Condo, Robert Wilson, Francesco Clemente, Philip Taaffe, John Giorno, Laurie Anderson, Kurt Cobain, Patti Smith und anderen.

Der Bedeutung der Werke wie auch der Persönlichkeit William S. Burroughs als Ikone der Gegenkultur für die Produktion von Künstlern verschiedener Generationen wird anhand prominenter Arbeiten Rechnung getragen. Hier reicht das Spektrum von Walter Stöhrer und Rolf-Gunter Dienst oder David Wojnarowicz bis zu Larry Clark und Christoph Lissy. Überdies werden zahlreiche Burroughs-Fotoportraits von Gerard Malanga, Charles Gatewood, Robert Mapplethorpe, Richard Avedon und anderen zu sehen sein. Als Highlights werden etwa 80 Fotoabzüge nach Originalnegativen von Burroughs und Gysin aus der Sammlung Barry Miles, London, hinzukommen sowie eine der von Burroughs in Paris benutzten Schreibmaschinen und jene Klinge, mit deren Hilfe Brion Gysin die literarische Methode des CUT-UP fand.

Kuratoren:
Udo Breger, Axel Heil, Peter Weibel ( ZKM Karlsruhe )
Harald Falckenberg ( Hamburg ) 
mit Unterstützung durch James Grauerholz und seinem Mitarbeiterstab.

Cut-ups, Cut-ins, Cut-outs

via Kunsthalle Wien

Burroughs begründete — inspiriert vom Maler Brion Gysin — eine neue Form des Schreibens: die Cut-up-Methode. Bei dieser Technik werden Textfragmente intuitiv zu offenen, assoziativen Erzählstrukturen zusammenfügt, um die Grenzen der Sprache zu erweitern und das menschliche Bewusstsein zu beschreiben. „Life is a cut-up”, so William S. Burroughs, „as soon as you can walk down the street your consciousness is being cut by random factors. The cut-up is closer to the facts of human perception than linear narrative.”

1960 entstanden die ersten Cut-up-Tonbänder und Collagen, und Burroughs wurde zu einer Bekanntheit der Untergrundszene der 1960er- und 1970er-Jahre. Die Geschichten, die sich um sein Leben ranken und den autobiografischen Charakter seiner Romane prägen, sind immer kontrovers geblieben, sein Schaffen hat aber auf vielen Kanälen abseits des Schreibens die Ausdrucksformen der Populärkultur durchdrungen.

Die Cut-up-Methode war für Burroughs nicht nur eine Technik und ein Stilmittel, das den Zufall mit einbezog und Autorschaft postmodern definierte, sondern ausgehend vom literarischen Experiment der Ausdruck seiner kritischen Stimme und eine revolutionäre Waffe gegen jede Art von Kontrolle durch autoritäre Strukturen und Glaubensvorstellungen. Als Dekonstrukteur des Sprachsystems interessierte sich Burroughs für die Abhängigkeit der alltäglichen, politischen Öffentlichkeit vom Wort als einem manipulierenden Virus, das sich durch die Medien der Informationsgesellschaft zieht.

WS Burroughs Cut ups Cut ins Cut outs - WILLIAM S. BURROUGHS - Retrospektive

KATALOG | William S. Burrougs. 
Cut-ups, Cut-ins, Cut-outs

Mit dem ersten und letzten Interview mit William S. Burroughs von Allen Ginsberg bzw. Lee Ranaldo

Gebundene Ausgabe
176 Seiten
ca. 160 Farbabbildungen
Sprache: English / Deutsch
19,5 x 2 x 24,5 cm

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Der visionäre Autor sprach 1971 von der »elektronischen Revolution«, er beeinflusste Gegenkulturen von der Acid-Szene bis zu Punk und erlangte in der jungen New Yorker Kunstszene der 1980er und 1990er Jahre späte Popularität.

Die „elektronische Revolution“ hat seit Burroughs natürlich nicht Halt gemacht, vielmehr hat die Cut-Up-Technik durch den Computer eine maschinelle Komponente erhalten. Cut-Ups haben Entsprechungen in der Film- und Tonsampletechnik, sowie Einfluss auf Musikrichtungen wie z.B. HipHop, Drum n‘ Bass und Electronica.

VIDEO | Aphex Twin – Rubber Johnny [ Director: Chris Cunningham, 2005]

https://www.dailymotion.com/video/xntzo

DVD | The Work Of Director Chris Cunningham

Enthält ein 52-seitiges Buch mit Fotos, Storyboards uvm.

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A Man Within

Kultfigur der Beat-Generation, Pionier der Gegenkultur, Drogenpapst: William S. Burroughs riss Grenzen des Mainstream ein, erhob den Drogenrausch zum künstlerischen Medium, wurde zum ungewollten Wortführer der schwulen Befreiungsbewegung. Sein Roman „Naked Lunch“ wurde zur Bibel von Punks, Hippies, der Queer-Bewegung, von Revolutionären, Künstlern und Musikern in aller Welt.

So ziemlich jede gegenkulturelle Bewegung des 20. Jahrhundert beruft sich auf ihn: Der Dokumentarfilm „William S. Burroughs: A Man Within“ ist der liebevoll-forschende Versuch, den Menschen zu ergründen, der aus Versehen seine Frau erschoss, dessen Werk den Konservatismus seiner Zeit bis ins Mark erschütterte, dessen kreative Gewalt die Kultur des 20. Jahrhunderts beben ließ.

Wie kaum eine Künstlerfigur steht Burroughs für einen radikalen Widerspruch, den Regisseur Yony Leyser in seinem Film vorbehaltlos auslotet: zwischen Individualismus und Abhängigkeit, zwischen Unabhängigkeit und Vereinnahmung entsteht das intime Porträt eines großen Schriftstellers, getragen vom genialen Score von Patti Smith und Sonic Youth.

DVD | William S. Burroughs.
A Man Within

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Leyser bekam die Großen und Bekannten, die Jünger, Weggefährten, Kritiker und Bewunderer vor die Kamera: In exklusiven Interviews und Archivmaterial erzählen Patti Smith, Iggy Pop, Gus Van Sant, John Waters, Genesis Bryer P-Orridge, Sonic Youth, Laurie Anderson, Amiri Baraka, David Cronenberg und Allen Ginsberg Geschichten aus dem Reich eines extremen Grenzgängers.


The name is BURROUGHS – Expanded Media

via ZKM Karlsruhe

„the name is BURROUGHS” lautet der Titel eines Essays aus der Sammlung The Adding Machine (1985), der Burroughs’ Weg zum Schriftsteller nachzeichnet:

„As a young child I wanted to be a writer because writers were rich and famous. They lounged around Singapore and Rangoon smoking opium in a yellow pongee silk suit. They sniffed cocaine in Mayfair and they penetrated forbidden swamps with a faithful native boy and lived in the native quarter of Tangier smoking hashish and languidly caressing a pet gazelle.“

Die Ausstellung greift, in nicht unbedingt chronologischer Anordnung, die traumverlorene Vorstellung des jungen Burroughs auf und begleitet den Protagonisten von seinen Kinder- und Jugendjahren in St. Louis und Los Alamos, über Harvard, Abstecher nach Europa und das New York der 1940-er Jahre bis nach Mexiko, wo er seinen ersten Roman Junky schrieb.

Es folgten längere Aufenthalte in Tanger, Paris, London und zwischendurch wieder New York; Orte, an denen Burroughs fotografierte, collagierte, ausgiebige Foto-, Tonband- und Filmexperimente machte und mit seinem wichtigsten Collaborator Brion Gysin aktiv sprachliche und visuelle Entwicklungen vorantrieb. Bereits seit Ende der 1950-er Jahre weitet Burroughs die medialen Möglichkeiten systematisch aus. Von heute aus gesehen führt sein Werk den Begriff „Expanded Media“ geradezu lexikalisch ein.


VIDEO
 | Einführung „the name is BURROUGHS” | ZKM Karlsruhe 2012


Mitte der 1940er-Jahre gerät Burroughs in Kontakt mit Abhängigkeit erzeugenden Betäubungsmitteln — Morphium, Heroin und anderen Opiaten. Am 6. September 1951 erschießt Burroughs in Mexiko-Stadt in volltrunkenem Zustand versehentlich seine Frau, Joan Vollmer. Der tödliche Schuss wird von den Behörden als Unfall gewertet. „Die erschreckende Schlussfolgerung drängt sich auf, dass ich ohne Joans Tod niemals zum Schriftsteller geworden wäre, und ich muss erkennen, wie sehr dieses Ereignis mein Schreiben motiviert und geprägt hat. Ich lebe mit der ständigen Drohung, von etwas besessen zu werden, und mit der ständigen Notwendigkeit, mich dieser Kontrolle zu entziehen. Joans Tod brachte mich in Kontakt mit dem Besatzer, dem Bösen Geist, und zwang mich in einen lebenslangen Kampf, in dem ich keine andere Wahl hatte, als mich daraus freizuschreiben.“, schreibt Burroughs 1985 im Vorwort zu seinem Roman Queer (1951-53 entstanden), in dem er gesellschaftliche Tabugrenzen überschreitet und dies zur Methode erklärt. Der Dämon des Schreckens verfängt sich in der Stilisierung einer kompromisslosen Sprache.

Schon mit seinen ersten Werken reüssierte Burroughs bei der amerikanischen und europäischen Jugend ebenso wie bei dem der Gegenkultur verpflichteten literarischen ,Underground‘. Im Verlauf der 1960-er Jahre wird er zur Ikone der ,Beat Generation‘ und in den 1970-ern zum ,Godfather‘ des Punk. Allen Ginsberg setzt mit seinem epischen Gedicht HOWL (1956, dt.: Das Geheul) seiner Generation ein Denkmal. Die Anfangszeile lautet: „I saw the best minds of my generation destroyed by madness, starving hysterical naked…“ Mit Jack Kerouacs atemloser Prosa in On the Road wird das Trio Ginsberg, Kerouac und Burroughs (als Old Bull Lee) Eingang in die Weltliteratur finden. Es ist Burroughs, der mit Naked Lunch das dritte der kanonischen Werke der Beatliteratur verfasst. Der Roman, in dem er Sprache als einen Virus identifiziert, wird zum ,Kultbuch‘ der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

William S Burroughs Naked Lunch - WILLIAM S. BURROUGHS - Retrospektive

BUCH | Naked Lunch. 
Die ursprüngliche Fassung

Gebundene Ausgabe
384 Seiten
Sprache: Deutsch
21,6 x 15 x 3,4 cm

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„Naked Lunch“, eines der wichtigsten literarischen Werke des 20. Jahrhunderts, liegt erstmals vollständig vor. Von Fehlern bereinigt, um alle unterdrückten Passagen ergänzt, enthält die Neuausgabe dieses Klassikers der Beat-Generation einen Anhang mit Briefen des Autors sowie ein Nachwort, das die abenteuerliche Publikationsgeschichte des Buchs erzählt.

Der Roman rief bei seinem Erscheinen einen Skandal hervor und wurde zunächst 1965 in einem Urteil des Supreme Court in Massachusetts, USA verboten. In dem Urteil hieß es: „Ein widerlicher Gifthauch ununterbrochener Perversion, literarischer Abschaum“. Andere Quellen geben an, es sei 1962 aufgrund von Obszönitäten (im Besonderen Kindsmord und Pädophilie) verboten worden. Im Jahre 1966 wurde das Verbot in einem Gerichtsverfahren wieder aufgehoben.

VIDEO | Naked Lunch Trailer | DVD kaufen bei amazon

Der Zugriff der Zensurbehörde anlässlich der Veröffentlichung von Naked Lunch in Amerika 1962 — in Paris war das Buch bereits 1959 erschienen — brachte Burroughs in die Schlagzeilen der Weltpresse. Im Verlauf des aus dem Verbot resultierenden Gerichtsprozesses bescheinigte ihm Norman Mailer nicht nur „ein gewisses Genie“, sondern an dessen Ende stand auch die Abschaffung der literarischen Zensur in den USA.

Nach insgesamt einem Vierteljahrhundert des selbst auferlegten Exils kehrte Burroughs im Frühjahr 1974 endgültig in die USA zurück, lebte mehrere Jahre in New York und verbrachte seinen Lebensabend in der kleinen Universitätsstadt Lawrence, Kansas, wo er ab Mitte der 1980er-Jahre verstärkt als ,visuell-bildender‘ Künstler die Grenzen des Möglichen — auch in den traditionellen Medien Tafelbild und Arbeiten auf Papier — hinterfragte, überschritt und damit erweiterte.


Burroughs | Bunker | New York

Essay von Harald Falckenberg [ Ausschnitt / Hamburg, März 2013 ]

Burroughs trifft im Februar 1974 in New York ein. Er bezieht als Untermieter ein Loft am Broadway. Es ist die gefeierte Rückkehr eines verlorenen Sohnes. Den „Hombre Invisible“ gibt es bald nicht mehr. Die Medien lieben seine abenteuerliche Geschichte und die unverbrüchliche Haltung eines inzwischen 60Jährigen. Es werden zahllose Fotografien von ihm veröffentlicht. Immer korrekt gekleidet, meist mit Schlips. Aber es ist das Gesicht, der stoische Ausdruck, Kurzhaarschnitt, der nie verzogene Mund und die unendlich traurigen, fast melancholischen Augen. Man denkt an die Konterfeis von Buster Keaton, Andy Warhol und Marcel Duchamp und ist sich sicher, dass sich hinter den emotionslosen Auftritten geheimnisvolle Geschichten verbergen. Die Fotografien tragen wesentlich dazu bei, dass Burroughs zu einer Kultfigur soll. Jeder kennt ihn, aber es gibt nur wenige, die ihn wirklich kennen.

Der Umzug ist für Burroughs mit einem grundlegenden Wandel seiner schriftstellerischen und künstlerischen Arbeit verbunden. Die Weltkulturhauptstadt ist jetzt New York, Europa in der klassischen Avantgarde-Tradition passé. Burroughs weiß das natürlich, und so ist seine Entscheidung als Neuanfang zu verstehen. Es ist der Abschied von Europa und die Rückkehr nach Amerika, trotz aller Vorbehalte gegen das Gesellschaftssystem seine Heimat.

Viel Beachtung finden abendliche Gesprächsrunden mit Burroughs, die vom englischen Literaten Victor Bockris in regelmäßigen Abständen organisiert werden. Bockris fasst die Gespräche, die im Zeitraum von 1974 bis 1980 stattfinden, in seinem Buch „With William Burroughs: A Report from the Bunker“ zusammen. Die Liste der Gesprächsteilnehmer liest sich wie ein Who is Who der Rock- und Popszene, zu nennen sind etwa Andy Warhol, Patti Smith, Lou Reed, Mick Jagger, Keith Haring und Jean-Michel Basquiat. Auch bekannte Schriftsteller und Filmemacher wie Tennessee Williams, Susan Sontag und Terry Southern sind dabei. Bob Dylan, aus Duluth, Minnesota, wie Burroughs ein Sohn der so oft zu Unrecht diskreditierten amerikanischen Provinz, fehlt. Seine Bezugspersonen sind Ginsberg und Kerouac, dessen Texten er eine Reihe seiner Musiktitel, wie Subterranean Homesick Blues und Desolation Row, entlehnt.

Bockris bezieht sich bei dem Titel seines Buches auf den Bunker, den Burroughs im Juni 1976 in der Bowery 222 bezieht. Dort haben die meisten Abendgespräche stattgefunden. Es ist eine kärgliche, nur kompliziert über mehrere Treppen zu erreichende Bleibe ohne Fenster. Mitbewohner im Bunker ist sein Freund, der Performancekünstler und Poet, John Giorno, der als Darsteller in dem Experimentalfilm Sleep (1963/64) von Andy Warhol bekannt worden ist. Der Bunker steht als Symbol für den Rückzug eines Skeptikers und Denkers in seine eigene Welt. Aber anders als bei Diogenes — dieser Vergleich sei erlaubt —, der sich in eine Tonne verzog und jeden verjagte, der sich ihm in die Sonne stellte, entwickeln sich die Dinge bei Burroughs anders. Sein unwirtlicher Raum wird zu einer Art Taubenschlag für Besucher jeder Couleur, Könner und Dilettanten, schräge Vögel und Szenegänger, oft genug auch Medienvertreter. Burroughs empfängt sie geduldig, aus Neugier, um über neueste Entwicklungen informiert zu bleiben, möglicherweise auch, das muss hier offen bleiben, um seiner selbstverordneten Einsamkeit und zunehmenden Depressionen entgegenzuwirken.

Zweifellos ist Burroughs ein Star der New Yorker Szene. Susan Sontag besucht ihn mehrfach im Bunker, die Rocksängerin Patti Smith verkündet, er sei ganz „dort oben, gleich neben dem Papst“, und Frank Zappa liest die Passage vom Redenden Arschloch live auf der Bühne. Dies nur zwei Statements seiner vielen Anhänger, die aber verdeutlichen, wie wenig die Anerkennung mit seinen methodischen Ansätzen der Routines und Cut-up-Methode zu tun hat. Er wird als Legende der Beat Generation gefeiert. Dabei gibt es, wie Barry Miles zutreffend bemerkt, maßgebliche Unterschiede zwischen Kerouac, Ginsberg und Burroughs.

Jeder Beat, so Miles, hat sein eigenes Jahrzehnt. Kerouac verkörpert die 1950er Jahre, der die Ideen der Beats der amerikanischen Gesellschaft nahe brachte. Die 1960er Jahre gehören Ginsberg als Bannerträger des friedfertigen Teils der Hippie-Bewegung mit Blumenkindern und LSD zur spirituellen Bewusstseinserweiterung. Burroughs’ Jahrzehnt als eine Medien-Berühmtheit ab Mitte der 1970er Jahre ist durch seinen Auftritt in der New Yorker Rock- und Punk-Avantgarde gekennzeichnet. Es ist trotz der großen Meriten von Kerouac und Ginsberg der vielleicht nachhaltigste bis heute wirkende Beitrag der Beat Generation.


Bowie trifft Burroughs

Rolling Stone Magazin | Auszug lesen

Das Gespräch zwischen David Bowie und William S. Burroughs hat Craig Copetas im November 1973 arrangiert und moderiert. Es wurde am 28.2.1974 im ROLLING STONE veröffentlicht.

Burroughs: Ihre Texte sind sehr aufmerksam und klug.
Bowie: Ein bisschen Mittelschicht, was ich aber okay finde, schließlich komme ich da ja her.

Burroughs: Mich überrascht, dass sie ein Massenpublikum ansprechen, obwohl sie so komplex sind. Inhaltlich laufen doch die meisten Poptexte gegen null, so was wie „Power To The People“.
Bowie: Ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Publikum eher nicht auf die Texte hört.

Burroughs: Darüber wüsste ich gern mehr. Verstehen Ihre Hörer, was Sie singen?
Bowie: Wahrscheinlich eher vermittelt durch die Medien. Erst danach setzen sie sich hin und hören genauer zu. Aber auf dem Niveau, auf dem sie meine Texte lesen, verstehen sie sie auch.

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SOCIAL MEDIA anonym mit Hilfe des c't-Projektes Shariff

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