Balthus: Thérèse rêvant, 1938, Öl auf Leinwand, 149,9×129,5 cm, Ausschnitt, The Metropolitan Museum of Art, New York, Jacques und Natasha Gelman Collection, 1998. © Balthus. (Bild: © 2018. The Metropolitan Museum of Art/Art Resource/Scala, Florenz)
Balthus, mit vollem Namen Balthasar Klossowski de Rola (1908–2001), zählt zu den letzten grossen Meistern der Kunst des 20. Jahrhunderts und zu den meist diskutierten Künstlern der Moderne. Die Fondation Beyeler widmet ihm eine retrospektiv angelegte Ausstellung, die rund 40 bedeutende Gemälde aus sämtlichen Schaffensphasen vereint und Balthus‘ vieldeutige Bildwelt reflektiert.
In seinen ebenso ruhevollen wie spannungsreichen Werken treffen Gegensätze zusammen, die Wirklichkeit und Traum, Erotik und Unbefangenheit, Sachlichkeit und Rätselhaftigkeit sowie Vertrautes und Unheimliches auf einzigartige Weise verbinden.
BALTHUS UND DIE SCHWEIZ
Von Balthus‘ späten Kindheitsjahren in Bern, Genf und Beatenberg über seine Heirat mit der Schweizerin Antoinette de Watteville und die gemeinsamen Aufenthalte in der französischen wie auch der deutschen Schweiz bis hin zu den letzten Jahrzehnten seines Lebens im alpinen Rossinière bestand fortwährend eine enge Beziehung des Künstlers zur Schweiz.
BALTHUS UND DIE MODERNE
Balthus zählt zu den grossen Meistern der Kunst des 20. Jahrhunderts und erweist sich dabei als einer der singulärsten. In seinem vielschichtigen und facettenreichen Schaffen, das ebenso Verehrung wie Ablehnung erfährt, verfolgte Balthus einen künstlerischen Weg, der alternativ, ja geradezu entgegengesetzt zu den Strömungen der modernen Avantgarden verlief.
In dieser Abkehr bezieht sich der exzentrische Maler auf eine Vielzahl kunsthistorischer Traditionen und Vorläufer. In seiner beinahe als „postmodern“ zu beschreibenden Distanzierung von der Moderne entwickelte er jedoch zugleich seine ganz eigene Form von Avantgarde, die heute umso aktueller erscheint.
BALTHUS, PASSAGE DU COMMERCE-SAINT-ANDRÉ, 1952–1954 Öl auf Leinwand, 294 x 330 cm, Privatsammlung © Balthus Foto: Mark Niedermann
RAUM, ZEIT UND FIGUR
Den Ausgangspunkt für die Ausstellung in der Fondation Beyeler markiert Balthus‘ monumentales Meisterwerk Passage du Commerce-Saint-André von 1952–1954, das sich seit längerer Zeit als Dauerleihgabe im Museum befindet.
In diesem rätselhaften Gemälde verdichtet sich in besonderem Masse Balthus‘ intensive Beschäftigung mit räumlichen wie zeitlichen Dimensionen im Bild und deren Verhältnis zu Figur und Objekt. Ausgehend von diesem Aspekt, wird die Ausstellung rund 40 zentrale Gemälde des Künstlers aus sämtlichen Schaffensphasen vereinigen.
In dieser Perspektive sollen auch Balthus‘ teilweise provokanten Strategien der Bildinszenierung und damit nicht zuletzt die Ironie und Abgründigkeit seiner Kunst beleuchtet werden. So treffen in seinen ebenso ruhevollen wie spannungsreichen Werken Gegensätze aufeinander, indem sich Wirklichkeit und Traum, Erotik und Unbefangenheit, Sachlichkeit und Rätselhaftigkeit sowie Vertrautes und Unheimliches auf einzigartige Weise verbinden.
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Fondation Beyeler, Riehen/Basel | bis 01.01.2019
BALTHUS
Pressetext: Fondation Beyeler | www.fondationbeyeler.ch
»Jeder grosse Maler lehrt uns sehen. Balthus hat uns in ein Reich geführt, das ganz sein eigen war. Er war kein Surrealist und auch kein Realist, noch hat er je irgendeinem anderen Ismus angehört. Seine Gemälde sind reine Originale, einzigartige und eigenständige Erfindungen, die ein wenig der Vergangenheit zu verdanken haben, aber nur in ihrer handwerklichen Meisterschaft, ein wenig auch ein paar anstössigen Sujets, aber nur als Mittel, Aufmerksamkeit zu erlangen (wie er einmal selbst in einem Brief schrieb), letztendlich aber alles ihrem mutigen Auftritt in unserer Gegenwart schulden,« so Filmemacher Wim Wenders im reich bebilderten Prachtband Balthus.
KATALOG | Balthus – Meister der Stille
Hrsg. Raphaël Bouvier,
Texte von Olivier Berggruen, Raphaël Bouvier, Christine Burger, Yves Guignard, Michiko Kono, Juan Ánge López Manzanares, Beate Söntgen, Wim WendersGebundene Ausgabe
172 Seiten,
120 Abbildungen
Hatje Cantz Verlag
Sprache: Deutsch
24,50 x 30,50 cmDie Retrospektive der Fondation Beyeler vereint rund 40 bedeutende Gemälde aus sämtlichen Schaffensphasen des legendären Künstlers und reflektiert seine vieldeutigen Bildinszenierungen. Ausgangspunkt der Ausstellung und des begleitenden Katalogs ist das monumentale und mysteriöse Meisterwerk Passage du Commerce-Saint-André von 1952 1954, in dem sich in besonderem Maße Balthus intensive Beschäftigung mit räumlichen sowie zeitlichen Dimensionen im Bild und deren Verhältnis zu Figur und Objekt zeigt.
BALTHUS, THÉRÈSE, 1938 Öl auf Karton auf Holz, 100.3 x 81.3 cm The Metropolitan Museum of Art, New York, Vermächtnis Mr. und Mrs. Allan D. Emil, zu Ehren von William S. Lieberman, 1987 © Balthus, Foto: The Metropolitan Museum of Art/Art Resource/Scala, Florenz
PRESSESCHAU
Balthus‘ Bilder sind eine Bedrohung
Philipp Meier für die NZZ | Artikel lesen
„Eine neue Angst vor der Erotik geht um. Bilder von Balthus werden wieder einmal mit Pädophilie in Verbindung gebracht. Solches Missverständnis ist nicht neu. Das Bauchgefühl aber hat recht: Da liegt eines der skandalösesten Œuvres vor.
Diese Bilder jedenfalls irritieren, weil sie stark erotisch aufgeladen sind. Auch jene, auf welchen der Blick nicht auf weisse Unterwäsche unter einem arglos hochgerutschten Rock fällt. Es ist eine bedrohlich unvertraute Erotik, die hier dargestellt wird – weder die uns bekannte von Erwachsenen noch jene präpubertäre von Kindern. Es ist vielmehr die Erotik der Poesie, rein, unkörperlich…“
Zwischen neusachlicher Ästhetik und Lolita-Syndrom
Christian Gampert für Deutschlandfunk | Beitrag lesen
AUDIO | Beitrag anhören
„Die Jungmädchen-Bilder des Malers Balthus haben in den letzten Jahren für viel Unruhe gesorgt. Eine Ausstellung in der Schweiz will diese Werke in den Kontext des Gesamtwerks des umstrittenen Malers setzen.
Aber all die sich entblößenden jungen Mädchen bleiben uns fern, ausgestellt wie Puppen, wie Models. Sie sollen ein Begehren wecken, das nicht eingelöst werden kann und darf. Das ist in manchen Bildern ein bizarrer Schwebezustand, in den meisten aber ein bisschen banal. Sehr weit führt das also nicht – der Maler ist hier nicht potentieller Gesprächs- und Sexualpartner, sondern eher Voyeur. Aber schon wegen dieser Erkenntnis lohnt die Ausstellung. Es gibt immer eine bessere Möglichkeit als das Abhängen von Bildern. Man muss sie analysieren.“
VIDEO | BALTHUS // Kunstforum Wien, anlässlich der Ausstellung „Balthasar Klossowski de Rola“ 24.02. – 19.06.2016
FONDATION BEYELER
BALTHUS – Meister der Stille
bis 01. Januar 2019
Öffnungszeiten:
Täglich 10-18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr
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