Die Ausstellung will das Spektrum an bislang wenig bekannten belgischen Positionen einem breiten Publikum als eine wichtige Referenz für den europäischen Symbolismus vorstellen, von Gustave Moreau über Arnold Böcklin und Max Klinger bis zu Gustav Klimt und Edvard Munch.
Der lustvolle Blick in den Abgrund, der übersteigerte Ästhetizismus einer übersättigten Gesellschaft, die sich zugleich in der Krise wähnte, der morbide Reiz zwischen Thanatos und Eros dies sind Themenfelder in der Kunst, die Ende des 19. Jahrhunderts insbesondere im belgischen Symbolismus ihren Ausdruck fanden.
Gegen die Entwicklung des Oberflächenreizes von Naturalismus und Impressionismus formiert sich in den 1880er Jahren eine neue Kunstströmung, deren Kennzeichen die Sinnlichkeit, Magie, tiefgründige Bedeutsamkeit wie auch die Irrationalität ist. Der Symbolismus enthält hierin bereits vielfach eine künstlerische Vorwegnahme der Traumdeutung von Freud, dessen gleichnamige Studie 1899 erschien.
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Alte Nationalgalerie, Berlin | bis 17. Januar 2021
Dekadenz und dunkle Träume
Der belgische Symbolismus
Pressetext: Alte Nationalgalerie, Berlin
Kurator: Ralph Gleis
KATALOG | DEKADENZ UND DUNKLE TRÄUME. Der belgische Symbolismus
Gebundene Ausgabe 336 Seiten 265 Abbildungen in Farbe Verlag: Hirmer Sprache: Deutsch 25,1 x 3,5 x 29,4 cm
Sinnlichkeit, Magie, tiefgründige Bedeutsamkeit und Irrationalität sind die Kennzeichen der neuen Kunstströmung des belgischen Symbolismus, die sich in den 1880er-Jahren formiert. Von George Minne und Félicien Rops zu Fernand Khnopff und James Ensor zeigt sich in Porträt, Figurenbild und Landschaft eine Faszination für Unheimliches wie Verruchtes, für Thanatos und Eros.
Die Besonderheit des belgischen Symbolismus ist seine Vorliebe für das Morbide und Skurrile, Tod und Verfall werden zu Leitmotiven in der Kunst. In Malerei und Bildhauerei versuchen die Künstler um 1900, eine neue Mystik mit einem extravaganten und kostbaren Stil zu verbinden. Zur zentralen Gestalt avanciert in diesem Kontext die Femme fatale als Ausdruck von Überfluss und Wollust, oft gepaart mit esoterischen und dämonischen Anklängen. Von Belgien gingen viele Impulse für den europäischen Symbolismus aus. Der umfangreiche und großzügig illustrierte Band geht diesen auf den Grund.
Künstler: JEAN DELVILLE | JAMES ENSOR | ÉMILE FABRY | LÉON FRÉDÉRIC | FERNAND KHNOPFF | XAVIER MELLERY | GEORGE MINNE | FÉLICIEN ROPS | LÉON SPILLIAERT | CHARLES VAN DER STAPPEN U. A.
sowie Referenzwerke des europäischen Symbolismus von ARNOLD BÖCKLIN | GUSTAV KLIMT | EDVARD MUNCH | ODILON REDON | DANTE GABRIEL ROSSETTI | FRANZ VON STUCK U. A.
VIDEO | Ausstellungsfilm
Die Entwicklung des Symbolismus
Das Spezifikum des belgischen Symbolismus ist eine Vorliebe für eine morbide und dekadente Motivik. Schon um die Jahrhundertmitte werden mit Antoine Wiertz Tod und Verfall zu Leitmotiven in der Kunst, die sich bis zu Bildhauern wie George Minne und dem Meister des Absurden James Ensor verfolgen lassen. Angeregt durch die zeitgenössische Literatur, versuchten die Künstler um 1900 eine neue Mystik mit einem extravaganten und kostbaren Stil zu verbinden wie es etwa Charles van der Stappen in seiner Bildhauerei durch die Kombination edler Materialien gelingt. Zur zentralen Gestalt avanciert in diesem Kontext die femme fatale als Ausdruck von Überfluss und Wollust etwa im Werk von Fernand Khnopff. Bei Felicien Rops oder auch Jean Delville gesellt sich hier der Aspekt des Esoterischen und Dämonischen hinzu. Der Symbolismus beeinflusste aber nicht allein das Portrait und Figurenbild, sondern schlug sich als paysage symboliste auch in der Landschaftsmalerei etwa von William Degouve de Nuncques und Fernand Khnopff nieder ebenso wie in den unheimlich erscheinenden Interieurs eines Leon Spilliaert, Xavier Mellery und Georges Lebrun.
Brüssel als Kulminationspunkt
Während der Impressionismus heute in nahezu allen Facetten und in den jeweiligen landesspezifischen Charakteristika erforscht und gewürdigt wurde, steht eine differenzierte Betrachtung des Symbolismus bis heute aus. Neben dem französischen Symbolismus, der als Ursprung und Inspiration gleichgearteter Bestrebungen auch in Deutschland betrachtet wird, stand die Ausprägung dieser Kunstströmung in Belgien bislang weniger im Fokus des Interesses. Dies zu Unrecht, denn von hier gingen viele Impulse für den Symbolismus aus: hierher kamen die in Paris erfolgreichen und einflussreiche Literaten wie Maurice Maeterlinck und Georges Rodenbach, während Brüssel zugleich die europäische Drehscheibe für Ausstellungen unterschiedlichster Kunststile war und an der Etablierung und Verbreitung des Symbolismus hohen Anteil hatte. Belgien fungierte in vielen Bereichen der Kunst als Scharnier zwischen England und dem Kontinent, ebenso war die Achse Paris-Brüssel besonders eng. Mit Les Vingt, dem Salon für zeitgenössische belgische und internationale Kunst, bot sich zwischen 1883 und 1893 in Brüssel eine neue Bühne, die unter anderen die Belgier Ensor, Khnopff, Rysselberghe mit so unterschiedlichen Künstlern wie Cezanne, Crane, Gauguin, Seurat, van Gogh, Klimt und McNeill Whistler zusammenbrachte.
PRESSESCHAU
VIDEO | Dekadenz und dunkle Träume. Der belgische Symbolismus Lecture 1: Traum und Wirklichkeit
Moderne in Moll
Peter Richter für die Sueddeutsche Zeitung | Artikel lesen
Das dunkle Diesseits der Kolonien: Berlin zeigt den ebenso betörenden wie verstörenden Symbolismus aus Belgien. Kunsthistorisch geht um die Debatte von Moderne und Anti-Moderne. Aber viele dieser Traumbilder könnten auch Plattencover aus den Siebzigern sein.
Die Malerei aus der Dunkelheit
Boris Hohmeyer in der Mai-Ausgabe 2020 des Kunstmagazins ART | Artikel lesen
Die Alte Nationalgalerie Berlin zeigt die Kunst des belgischen Symbolismus – und führt eindrucksvoll vor Augen, dass zur Moderne immer auch die Antimoderne gehört.
„… ein Wesenszug der symbolistischen Kunst, denn man konnte ihr, anders als den mäßiger temperierten Impressionisten, nicht nüchtern betrachtend gegenübertreten. „Entweder man heult, oder man kotzt“, hat die Filmkritikerin Frieda Grafe über die Wirkung von Kino-Melodramen geschrieben, und das gilt auch für die Kunst von Khnopff, Spillaert, Van Rysselberghe und tutti quanti. Sie ist auf Schock, Ekstase, Angstlust und Ekel statt auf Wohlgefallen berechnet; sie verströmt Nervengift statt milde Düfte.“
„In dem Maße, wie die Künstler des Symbolismus sich in die Schönheit der Kunst flüchteten und die reale Welt weitestgehend ausblendeten, negierten sie aber auch die Tatsache, dass der wirtschaftliche Aufstieg Belgiens und großer Teile Westeuropas aus der Ausbeutung ihrer Kolonien resultierte. So fand im Jahr 1884 in Berlin auf Einladung von Bismarck auch die sogenannte Kongokonferenz statt, auf der die europäischen Kolonialstaaten u.a. auch Belgien, die USA und das Osmanische Reich Westafrika aufteilten. Davon ist in der Kunst der Symbolisten, die sich einzig mit der eigenen bürgerlichen Gesellschaft beschäftigten, kaum etwas zu sehen. I lock my door upon myself heißt ein dafür bezeichnendes Werk von Fernand Khnopff. Eine ganze Kunstrichtung im Traumzustand mit dem Schlafmohn als Symbol.“
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